Die Auferstehung der Schlosskirche Buch

Was hat die Theodor Fontane Gesellschaft mit diesem Comeback des barocken Gotteshauses zu tun? Eine Erklärung mit alten und neuen Informationen, Fakten, Behauptungen, einem Rückblick in das 18. Jahrhundert und der Hoffnung auf den Erfolg.

Vier Episoden von Adolf und Rosemarie Henke

Erste Episode
Die alte und die neue Kirche

Es war eine sehr traurige Situation im Leben der Gemeinde im Dorf Buch des Jahres 1731. Die Evangelische Kirche musste geschlossen werden. Sie drohte einzustürzen. Pfarrer Gottlieb Friedrich Rhewald (1695–1741) war verzweifelt. Im April 1731 war es dann amtlich. Der Bau war nicht zu retten. Der Begriff »baufällig« beschreibt nur unvollkommen den desolaten Zustand. Eine Kirchenrechnung aus dieser Zeit informiert: […] die Mauern gerissen und der Turm baufällig«.
Über diese Bucher Kirche berichten die Chronisten folgendes: Während der Ort Karow 1250 eine feste Kirche aus Feldsteinen und soliden Mauern erhielt, wurde Buch »nur mit einem leichteren Fachwerkbau versorgt«. Karow war halt im 13. Jahrhundert, als der Barnim besiedelt wurde, von Berlin aus gesehen, der naheliegende, also bevorzugte Ort.
Das Landesdenkmalamt Berlin informiert über diese Entwicklung in einer Dokumentation von 2010 so: »Am Standort der bestehenden barocken Kirche in der Mitte des Dorfes muss es bereits vor 1375 einen kleinen Kirchenbau, vermutlich in Fachwerkbauweise, gegeben haben«. Belassen wir es mit dieser mageren Erklärung.
Gut, dass der Patronat von Buch verpflichtet war, ein neues Gotteshaus bauen zu lassen. Dieses Amt hatte zu jener Zeit Adam Otto von Viereck (1684–1758) inne. Er hatte eine gute Position am Berliner Hof, und er hatte Geld.
Das Dorf Buch blühte auf, gewann an Bedeutung. So ist es auch verständlich, dass von Viereck, gleich nach dem Umbau des Gutshauses zu einem Schloss im Stil der Zeit, auch den dringend nötig gewordenen Neubau einer Kirche in Angriff nahm. Anmerkung: Ein Modell dieses Schlosses können Sie im »Schlossfenster« in der Glasgalerie im Stadtgut Buch betrachten.
Und, da der wohlhabende Patron weit über seine gesetzliche Verpflichtung hinaus dachte und handelte, entstand die barocke Schlosskirche in Buch. Dass sie nun so auffällig aus dem Rahmen der brandenburgischen Dorfkirchen fiel, hat viele Gründe. Sicher auch den, dass der Preußenkönig, Friedrich II., »schmucke, festlich stimmende« Kirchen liebte. Es war das 18. Jahrhundert und das Dorf Buch nur zwei Preußische Meilen von Berlin entfernt. Buch und die Bedeutung des Ortes rückten in die aufstrebende Geschichte der Mark Brandenburg weiter nach oben.

Zweite Episode
Stattlich und schön!

Die wohl schönste Beschreibung des Eindrucks, den die Bucher Schlosskirche auf den Betrachter macht, haben wir bei Martin Pfannschmidt (1861–1947), Pfarrer in den Kirchengemeinden von Buch und Karow, gelesen. In seiner schriftlichen Darstellung des Lebens in diesen beiden Gemeinden aus dem Jahr 1927 schreibt er schwärmend: »Kommen wir von Berlin her über Karow, so grüßt uns schon von Ferne, aus dem üppigen Grün des Schloßparkes herauswachsend, die Kuppel der Bucher Kirche, die mit ihren frohen Farben – roter Untergrund und weiß abgesetzte Säulen und Pilaster – sich dem Grün der Bäume harmonisch anpaßt und so besonders im Glanz der Abendsonne, wenn die Abendglocke vom Turm ertönt, in den Farbendreiklang Rot-Weiß-Grün: Liebe, Reinheit, Hoffnung – ausklingt«.
Und genau dieses Bild wird uns nun bald wieder auferstehen, im wahrsten Sinne des Wortes AUFERSTEHEN –, wenn die »Wiedererrichtung des Glockenturmes und Sanierung des Innenraumes der Schlosskirche Berlin-Buch«, so das Ziel, formuliert auf dem Baustellenschild vor der Kirche, vollendet ist. Und das wird noch in 2024 sein. Der Festgottesdienst zur Einweihung ist auf Sonntag, den 29. September festgelegt.
Martin Pfannschmidt war der legendäre Pfarrer der Kirchengemeinde Buch-Karow in den Jahren von 1913 bis 1933. Der Pfannschmidt-Chronik mit ihren akribischen Schilderungen der Ereignisse und Personen im Brandenburgischen Barnim, speziell im Dorf Buch und dem Dorf Karow, ist es zu verdanken, dass wir so viel wissen.
Doch zurück in das Jahr 1860 zu Theodor Fontane. 67 Jahre vor dem Loblied des Pfarrers auf die Bucher Kirche, kleidete der Märkische Wanderer seinen Eindruck in das eher bescheidene Lob: »Diese Kirche zu Buch ist ein ziemlich auffälliges Bauwerk«. Und weiter: »Alles, was dieser Bucher Kirche zugestanden werden darf, ist Stattlichkeit und ein gewisser malerischer Reiz«. Ein sehr reserviertes Lob.
An Fontanes Wertung scheiden sich noch heute die Geister im Ort. Nun, jeder wird für sich urteilen. Zwischen »schöner Kirche« und dem Fontanschen Zugeständnis einer »Stattlichkeit« liegt die Spanne der Wertungen. Wir geben jedoch zu bedenken, wie verblüfft er war, als er dieses Bauwerk des Preußischen Barocks des 18. Jahrhunderts erblickte. In einem Dorf an der Panke.


Interessant ist in diesem Zusammenhang die Arbeit von Frau Prof. Dr. Gabriele Radecke, und ihr Hinweis auf den Text, mit dem Fontane seinen Eindruck nach der Besichtigung der Kirche festgehalten hat (Notizbuch A 11). Wir hatten für sie und Robert Rauh, im Juni 2019, eine Besichtigung der Schlosskirche vorbereitet. Anschließend schauten sich beide noch die weiteren Bereiche der »Bucher Fontane-Hochburg« (R. Berbig, 2019) an.
In das »Gästebuch« des »Fontane-Zimmers« – es ist zugleich auch die Chronik der Bucher Fontane-Freunde –, notierte Frau Radecke: Fontane »hinterließ in seinem Notizbuch immerhin neun Skizzen. Und eine Zeile, die die Kirche positiver beschreibt als bisher bekannt: ›Die Kirche, ohne allen Prunk im Inneren, aber äußerst gediegen macht den Eindruck großer Vornehmheit‹«.
Könnte diese Formulierung die Kritiker Fontanes, seiner späteren Wertung im Kapitel Buch im Band IV der Wanderungen, versöhnlicher stimmen? Ununtersucht! Das Notizbuch hält den an den Augenblick gebundenen Eindruck Fontanes vom Schlosspark, vom Schloss Buch, und von der Schlosskirche selbst, flüchtig fest.
Im Kapitel Buch hat Fontane den Gesamteindruck, den so wichtigen funktionalen Zusammenhang zwischen dem Herrenhaus (Schloss), der Kirche und dem »das Dorf in seinen Arm« nehmenden Park, stimmungsvoll und mit Aufmerksamkeit für das Detail beschrieben. Er hat dem Ort ein bleibendes literarisches Denkmal gesetzt.
Unsere Meinung: Die Schlosskirche in Berlin-Buch wird nach ihrer Fertigstellung stattlich und schön sein!

Dritte Episode
Buch ist ein Ausflugsziel

Theodor Fontane hatte für diese Wochenendtour im Juni 1860 eine Art Gesamtaufmerksamkeits-Programm entwickelt. Deshalb drängelte er seinen Reisebegleiter: »Keinen Aufenthalt in Pankow und Schönhausen, sondern gleich weiter«. Sein Plan: »Kommen wir um sechs in Buch an, so haben wir vielleicht noch Zeit, Kirche, Schloß, Park zu mustern. Und Nachtquartier in Buch«. Ein volles Programm.
Aus der Gegend rund um Buch waren viele historisch wichtige Ereignisse bekannt, an denen Fontane interessiert war. Über vier Jahrhunderte herrschten hier vier bedeutende Familien: von Röbel, von Pöllnitz, von Viereck und die von Voß. Doch besonders auf die barocke Kirche war er gespannt. Trotz knapper Zeit, nahm er sich für das »ziemlich auffällige Bauwerk« die meiste Zeit.
Das Schloss, der Park und die Kirche waren, nicht nur für die Berliner, ein angesagtes Ausflugs-, Foto- und Bildmotiv. In einer Publikation von 1889 Die Umgebung der Kaiserstadt Berlin, wurde für einen Ausflug nach Buch geworben: »Zwischen Dorfstraße und Park ragt die originelle Kirche empor, die als malerisches Motiv, im Rahmen breitwipfliger Buchen, so oft in die Mappen unserer Kunstjünger gewandert ist«. Der Schriftsteller Günter de Bruyn beschreibt diesen Trend des 19. Jahrhunderts in Mein Brandenburg so: »Die Naturferne Berlins hatte die grüne Umgebung veredelt; was man früher langweilig empfunden hätte, wurde nun schön«. Aus dieser Sicht belebten die Wanderberichte Fontanes die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit für die Landschaft und die Geschichte von Brandenburg. Im konkreten Fall also auch für das Dorf Buch.
Auch der Bucher Pfarrer Martin Pfannschmidt lobte im Vorwort seines Geschichtsbuches die »große Bedeutung dieses treuen märkischen Wanderers für die Förderung der Heimatgeschichte«.

Vierte Episode
Ein Verein organisiert die Rettung

In der Nacht vom 18. zum 19. November 1943 fielen Bomben auch auf Buch. Einige Häuser, Scheunen und Ställe wurden Opfer von Flammen. Die Schlosskirche brannte bis auf die Grundmauern nieder. Zum Glück waren Kanzel, Altar und Orgel ausgelagert und das Grabmal des von Viereck hinter einer Mauer geschützt.
War das das Ende?
Im Frühjahr 1951 geschah in Berlin-Buch etwas, das typisch war für das ganze Vaterland der Deutschen in der Nachkriegszeit – der Wiederaufbau und ein Richtfest. Auch in Buch! Diesen Vorgang beschreibt Prof. Dr. Heinz Bielka (1929–2020) so: »Ab 1950 wurde unter schwierigen Nachkriegsbedingungen mit Engagement vieler Bucher Bürger und Gewerke begonnen, das Kirchengebäude so weit wieder aufzubauen, dass am 10. Februar 1951 das erste Richtfest gefeiert und am 29. März 1953 mit einem Gottesdienst die Kirche wieder geweiht werden konnte«.
Der in Buch lebende Wissenschaftler wurde der erste Vorsitzende des am 17. Dezember 2007 gegründeten »Förderverein zum denkmalgetreuen Wiederaufbau des Turmes der barocken Schlosskirche in Berlin-Buch e.V.«. In der Kurzfassung: Förderverein Kirchturm Buch.
Ziel dieser Vereinigung von Mitgliedern der Evangelischen Kirchengemeinde und interessierten Bürgern – darunter auch viele, die »ihren Fontane« gelesen hatten ­– war es: »Die bisher nur teilweise erfolgte denkmalgetreue und substanzerhaltende Rekonstruktion der barocken Schlosskirche durch den Wiederaufbau des Turmes abzuschließen«. Das war es: Buch braucht sein Wahrzeichen und die Schlosskirche ihren Turm!


Adolf Henke:
Es ist doch wohl klar, dass wir als Mitglieder der Theodor Fontane Gesellschaft in diesem Verein unseren Platz gefunden haben. Theodor Fontane hat in einem Brief an W. v. Merckel geschrieben: »Wo die Kraft ist, da entsteht von selbst ein Mittelpunkt«. Eine solche Kraft war mit dem Förderverein gegeben. Um diesen Mittelpunkt sammelten sich seine Mitglieder, Sympathisanten, Förderer und auch wir, die Fontane-Freunde aus Berlin-Buch. Aktivitäten dieser Verbundenheit waren z.B. Fontane-Vorträge, die Prof. Dr. Roland Berbig und Prof. Dr. Hubertus Fischer im Saal der Kirchengemeinde hielten. Zur Vorbereitung auf die Einweihung des Denkmals für Julie von Voss im Bucher Schlosspark am 1. Oktober 2023, hatten wir mit dem Förderverein Kirchturm Buch eine Benefizveranstaltung organisiert: Der Kunsthistoriker Dr. Marcus Becker hielt einen Vortrag über diese Frau, deren Lebensweg in Buch begann.

Bedeutend war auch eine Veranstaltung der Stiftung Zukunft Berlin von 2019 in der Schlosskirche. Fontanes Text aus dem Kapitel »Buch« wurde vorgelesen. Fontane war »dabei«, denn wir hatten die bekannte gelbe Fontane-Figur in die Nähe der Kanzel gestellt. 159 Jahre nach seinem Originalbesuch in Buch. Auch bei der Einweihung des Gedenksteins für »Julie«, Elisabeth Amalia von Voss, am Ufer der Panke, stand die Figur im Blickpunkt des Geschehens. Ansonsten war eine Besichtigung der barocken Kirche immer der Ausgangs- oder Endpunkt der Spaziergänge vieler Gruppen aus den Sektionen und Arbeitskreisen der TFG und der Wanderbewegung rund um Berlin.
Wir sind so eine Art Sachwalter der Fontane Gesellschaft vor Ort. Auch deshalb schrieb uns der Vorstand des Kirchturmvereins in unsere Chronik: »Wir danken Ihnen, dass Sie Ihre Arbeit in der Fontane-Gesellschaft mit freundschaftlicher Verbundenheit zu dem Bucher Kirchturm-Verein verbinden«. Aktuell steht im »Fontane-Fenster« auf dem Stadtgut Buch eine Info-Tafel, auf der ein aktuelles Foto über den Fortgang des Geschehens auf der Baustelle Schlosskirche informiert.


Rosemarie Henke:
Wir beobachten sehr interessiert, wie es am Turmaufbau vorangeht. Fotografieren es auch. Am 25. April 2023 wurde der weithin sichtbare Kran aufgebaut. Seit November steht die Turm-Holzkonstruktion. Wenn der Kran die neue Kugel mit dem Strahlenkranz auf die Spitze des Turmes setzt, wird die Schlosskirche 41 Meter hoch sein.
Doch nicht nur ein neuer Turm gehört zu diesem Projekt. Auch die Sanierung und komplette Instandsetzung der Kirche, innen und außen, sowie de Kirchhof zählen dazu. Ein Höhepunkt wird die Aufhängung der drei Glocken sein. Noch hängen sie im »Stuhl« im Freien. Zwei der Bronzeglocken wurden im Werk Lauchhammer gegossen und bereits im September 2016 der Kirchengemeinde übergeben. Die Grußworte der Gießer gipfelten in dem Wunsch, »dass die Glocken nie wieder für Kriegszwecke vom Kirchturm geholt und zur Vernichtung des Lebens missbraucht werden«. Wir freuen uns sehr auf die Botschaft aller Glocken, die die Vollendung dieser Auferstehung der Schlosskirche in Berlin-Buch signalisieren werden.

 

Fotos: Archiv der Schlosskirche Buch, K. Spitz, A. Henke.
Zeichnung: Archiv der Schlosskirche Buch, H.-J. Malik

One comment

  1. Margit Henke says:

    Wunderbar, dass es Menschen gibt, die sich so intensiv mit der Geschichte ihres Wohnortes beschäftigen.
    Den Freunden der Theodor Fontane Gesellschaft wünsche ich, dass sie den Blick auf Vergangenes und Neues nie verlieren. Ich bin sehr gespannt auf die Kirche und werde sie ganz sicher besuchen!

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