Götz Lemberg – Fotografie und Fontane. Eine Begegnung

Die Verabredung war umstandslos gewesen. Eine freundliche Stimme am Telefon, die sich mit „Götz Lemberg, Foto- und Installationskünstler“ vorstellt und Interesse an einem Gespräch über Fontane 2019 signalisiert hatte. Gerne, natürlich. Und pünktlich klopfte es heute an der Tür. Gleich der erste Eindruck war angenehm, ein fester Händedruck, eine kräftige, nicht laute Stimme. Wache Augen, die mich durch eine weißgerandete Brille aufmerksam ansahen: nicht aufdringlich, eher ein freundliches Taxieren mit offenem Ausgang. Ohne Eile zu zeigen, lenkte der Mann vor mir sein ebenso entspanntes wie konzentriertes Plaudern in die Bahnen, die ihn zu diesem Besuch bewogen. Schon lagen zwei Kataloge vor mir, die von der Person zu ihrer Kunst führten : eine „Raum- und Klanginstallation“ anlässlich der 12. Kleist-Festtage in Frankfurt (Oder) aus dem Jahr 2002, und, 2017 erschienen und rasch aus der Folie gelöst, den Fotoband Havelcuts mit dem Untertitel Porträt einer Flusslandschaft. Götz Lemberg blätterte hier eine Seite auf, kommentierte dort in nur wenigen Worten, wovon sich das Auge nicht mehr trennen wollte. Jede Fotografie eine Komposition, jedes Bild ein Text ohne Worte. Dass der Künstler, der diese „Lebenslinien einer Region“ mit seiner Kamera gezeichnet hatte, nicht zum Zeitvertreib in meinem Institutszimmer saß, spätestens jetzt war es klar.

Kaum sah der Gast, dass er mich mit dieser kleinen Vorführung auf sein Terrain gelockt hatte, lockte er weiter: und dies mit einem Bild-Wort-Vorhaben fürs Fontane-Jahr. Auch er hat die Wanderungen durch die Mark Brandenburg Fontanes entdeckt: für sich, versteht sich. Ausgedehnte Fahrten auf Fontanes märkischen Pfaden liegen hinter ihm, und weitere vor ihm. Das Heute in seinem eigenen Schein spiegelt sich in jenem gestrigen, den Fontanes „Geniestreich“ (wie Peter Wruck die Wanderungen einmal bezeichnet hat) erzeugt hatte, und dessen Strahlkraft auf merkwürdige Weise fortdauert. Der im 19. Jahrhundert einer weitgehend heruntergekommenen Region, die vom mythischen Zauber des romantischen Rheinlandes nicht einmal zu träumen wagte, zu einer Identität verholfen hatte, taugte er dafür auch im 21. Jahrhundert? Kann ihm ein Künstler wie Lemberg, der Landschaften als Lichtbilder wahrnimmt und sie in Fotografien wie Gemälde bannt, folgen in der Frage nach jenem Einklang von Mensch und Region? Werfen die schriftgestellten Fontane-Wege von einst, die solche identifikatorischen Übereinkünfte stifteten, jetzt Bilder ab, die einer, der zu sehen versteht, sichtbar machen kann? Alles, was Götz Lemberg mir gegenüber skizzierte, schnörkellos und transparent, professionell wie passioniert, brachte mich an seine Seite. Doch wozu? Was konnte ich, was der Künstler nicht selbst vermochte – besser vor allem?

Längst hat Lemberg die ersten Schritte getan. Die Mark kennt er, man ist versucht zu sagen, wie seine Westentasche. Er plant eine Foto-Installation in der St. Marienkirche der Kleist-Stadt Frankfurt/Oder, eine große, denn dieses Gotteshaus – ein Prachtbau norddeutscher Backsteingotik – ist groß: immerhin 77 Meter lang und 45 Meter breit.

„Haben Sie gehört?“, fragte mich Lemberg unversehens: Ja, ich hatte gehört – eine Fotobild soll tatsächlich 50 Meter lang sein. Doch diese visuellen Werke sollen nicht für sich allein sprechen. Worte möchte der Künstler ihnen beigeben – Fontane-Worte, Fontane Sätze, Fontane-Sentenzen. Möglichst schlagende und tieflotende, nichts Wohlfeiles, um Himmels willen noch weniger Gefälliges, allemal Auszudeutendes, Verunsicherndes. Lemberg will nicht liebdienern bei Fontane und ihn benutzen. Er legt nicht kumpelhaft den Arm um dessen Schultern, als sei das erlaubt: Er sucht Reibeflächen, mit der Mark, mit dem märkischen Wanderer, vielleicht auch mit dem eigenen Tun.

„Und da kommen nun Sie! Wir Bildleute brauchen Wortmenschen.“ Das war der Besuchsanlass: Arbeit und Angebot für Zusammenarbeit. Was leichthin und selbstverständlich klang, war das eine so wenig wie das andere. Dennoch. Der Stachel saß, nein: er sitzt. Götz Lemberg zuarbeiten: Das heißt, vielleicht, die Wanderungen noch einmal zu durchstreifen mit eigenen Lese-, aber gleichermaßen mit Lembergs Bilder-Augen. Die Kiste mit den üblichen Zitaten umkippen, neue suchen. Und schon einmal überlegen, wie ein Begleitprogramm aussehen könnte, eins, das in nichts dem künstlerischen Anspruch nachsteht und einem Fontane-Publikum so gerecht wird wie einer Region, die auf der Suche nach sich selbst bleibt: weil das Teil ihrer Identität ist.

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