KEINE EFFI. KEIN WINNETOU. NIRGENDS. THEODOR FONTANE UND KARL MAY. Eine Berliner Ausstellung wird sich 2019 Geschichtsbildern bei beiden Autoren widmen.

Irgendwie lag das Thema Fontane und Karl May schon immer in der Luft. Nicht zuletzt war ein James F. Cooper neben Walter Scott lebenslang einer der unterhaltungsliterarischen Hausgötter des „Stechlin“-Autors. Sie wissen schon: „Umgang mit Chingachgook, alias le gros serpent, und Vermählung deiner ältesten Tochter, Komtesse Haldern, mit irgendeinem Unkas oder einem Großneffen von Lederstrumpf.“ etc., etc.  Denn Fontane las mit Begeisterung alles, was ihm von Cooper unter die Hände geriet, vom heute zu Unrecht in Vergessenheit geratenen Agententhriller aus dem Unabhängigkeitskrieg „Der Spion“ bis zum immer wieder zitierten „Lederstrumpf“. Die grandiosen Schilderungen fast unberührter Natur und Menschen an der Grenze zur sogenannten Zivilisation inspirierten nicht nur Stifter beim „Hochwald“ oder Arno Schmidt bei „Schwarze Spiegel“, sondern eben auch den großen Realisten bei seinen Beschreibungen märkischer Natur und ihrer Menschen. Singen die Wälder um den Stechlinsee nicht auch das Lied des Otsego, agieren die Charaktere in Hohen-Vietz  nicht ein wenig wie die Menschen in Templeton – dem Handlungsort der Cooperschen „Ansiedler“ – um 1790? Fontane bemerkt einst auf die Anmutung, in „Vor dem Sturm“ mehr „Action“ unterzubringen sarkastisch, dass „Skalpierungen im Winter 1812 auf 13 in märkischen Dörfern nicht vorgekommen wären.“ Doch selbst im amerikanischen Templeton sind die Tage kopfhautgefährdender  Aktivitäten rund um den See Glimmerglas aus dem ersten Band der  „Lederstrumpf“-Reihe, „Der Wildtöter“, inzwischen Geschichte. Dubslav gemahnt in vielerlei Hinsicht an den altersweisen Natty Bumppo. Hoppenmarieken erinnerte mich ohnehin stets an den dem Feuerwasser verfallenen alten Chigachgook. Und Cooper war einer der Stichwortgeber für Karl May. Beim Lederstrumpf-Autor heißt das indianisch-weiße Freundespaar Wildtöter und Chingachgook, bei Karl May Old Shatterhand und Winnetou, und aus der Büchse „Killdeer“, also „Hirschtöter“, wird Old Shatterhands „Bärentöter.“ Die völlig unsinnige Einteilung in „gute“ und „böse“ Indianerstämme entnahm May dem amerikanischen Vorbild. Bei Cooper sind Delawaren und Pawnee edle Wilde, „Mingos“ und Sioux Schurken, bei May kommt diese Rollenverteilung den edlen Apatschen bzw. feindlichen Komantschen und Sioux zu. Weniger bekannt als Henrystutzen und „Ölprinz“ ist, dass Karl May über weite Felder streifte, auf denen wir eher Fontane verorten. Das alles muss mir durch die Hypophyse gerast sein, als man mich nach der Idee und Kuratorentätigkeit für eine Fontane-Ausstellung in Berlin fragte. Seit Jahrzehnten beschäftige ich mich auch mit dessen Zeitgenossen Karl May; gerade bei der Arbeit an einem biografischen Porträt zum fabulierfreudigen Autor waren mir immer wieder Ähnlichkeiten aufgefallen. Doch mal im Ernst: Theodor Fontane und Karl May, märkische Alleen und Prärie – wie passt das zusammen? Jeder von uns ist mit dem tragischen Schicksal von „Effi Briest“ vertraut; ungezählte Tränen vergossen wir bei Winnetous Roman- oder Leinwandtod. Doch was haben beide Autoren außer dem strapaziösen Schriftstellerberuf im 19. Jahrhundert und anhaltendem Bestsellerruhm gemeinsam? Zwischen der Vorliebe des „Stechlin“-Autors für – wie er es formulierte – „Frauen mit einem Knacks“ und der Anteilnahme des geistigen Vaters des edlen Apatschen am vermeintlichen Untergang des „Roten Mannes“ liegen nicht nur emotionale Welten. Obwohl: Wie hätte sich eine Ehe zwischen Nscho-tschi und Old Shatterhand entwickelt, wenn nicht Satanas Santer das anbahnende Glück zerstört hätte? Immerhin: Der Preuße Fontane schrieb über die märkischen Quitzows im 15. Jahrhundert, verfasste ein berühmtes Gedicht über Leopold von Anhalt-Dessau, erzählte in „Schach von Wuthenow“ und „Vor dem Sturm“ über die Napoleonzeit oder in opulenten Sachbüchern über die deutschen Einheitskriege zwischen 1864 und 1870/71. Schließlich lässt er einen seiner Romanhelden sogar ins amerikanische Felsengebirge fliehen. Denn vielseitig waren sie beide: Der Sachse Karl May verfasste nicht nur reißende Wildwestmärchen oder aquarienbunte Orientabenteuer, sondern auch den Ritterroman  „Der beiden Quitzows letzte Fahrten“ oder Humoresken um den „Alten Dessauer“. In „Die Liebe des Ulanen verfolgt er auf über 2000 (!) Seiten die Schicksale einer preußischen Offiziersfamilie in Liebe und Krieg zwischen 1814 und 1871. Die Ausstellung vergleicht nun die Sicht der Autoren auf entscheidende Etappen brandenburgisch-preußischer Historie im Kontext europäischer Kulturgeschichte. Deshalb auch der Titel: „THEODOR FONTANE UND KARL MAY. Brandenburg-Preußen im Werk der Bestsellerautoren.“ (02.08.2019 bis 05.01.2020 im GOTISCHEN HAUS in Berlin-Spandau). Neben Erstausgaben, darunter bislang nie gezeigte Zeitschriftenvorabdrucke sowie Übersetzungen, werden aufwendig gestaltete Dioramen und Gemälde, historische Waffen, Fahnen und Uniformen das Anliegen der Präsentation vertiefen. Breiter Raum wird dabei der Rezeption der bei Fontane und May beschriebenen Ereignisse auf Sammelbildern, in UFA-Filmen oder DEFA-Produktionen gewährt. Und nicht zuletzt wird das Geheimnis gelüftet, wie der Kultcomic MOSAIK Fontane und May zusammenführte … Es wird selbstverständlich zahlreiche ausstellungsbegleitende Aktivitäten geben; neben Kuratorenführungen zu ausgewählten Aspekten, Lesungen oder Vortragsreihen kommt auch der kleine Tierfreund (nein, es droht kein Petrophaga-Befall in Schloß Rheinsberg) oder der BVG-gestresste Zeitgenosse auf seine Kosten. Doch dazu im Laufe der Vorbereitungen irgendwann mehr. Gleiche Stelle, gleiche Welle. Frei nach Rudi Carrell, der häufig Karl May, doch nie Fontane zitierte: „Lass Dich überraschen!“

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