Die gute Fontane-Seele von Leipzig: Monika Stoye zum 22. März 2019

Als der Sekretär der Theodor Fontane Gesellschaft sich in seinem 64. Lebensjahr entschloss, die Berufszelte abzubrechen, um sich ins Altenteil zurückzuziehen, erntete er von der mit ihm gut befreundeten Monika Stoye, mit der ihn eine Lebensfreundschaft verbindet, hochgezogene Augenbrauen: „Was, jetzt schon?“

Niemand war so berechtigt, mit einer solchen Frage herauszurücken, wie sie. Tief in den Siebzigern angekommen, dachte sie gar nicht daran, die Segel zu streichen und nach einem beschaulichen Ufer Ausschau zu halten. Um Anker zu werfen, bleibe immer noch Zeit. Frau Stoye kandidierte heiteren Sinnes erneut für den Vorstand der auf Fontane einegschworenen literarischen Gesellschaft, und dass sie gewählt wurde, war selbstverständlich, eine Formsache gewissermaßen. Eine Vorstandssitzung ohne sie mag man sich längst nicht vorstellen, und wer einmal die Geschichte der Gesellschaft schreiben will, der wird in den Protokollen, die Monika Stoye seit Jahr und Tag verfasst, eine Quelle haben, die das Prädikat „ersten Ranges“ verdient.

Dass alles seine Richtigkeit haben muss: eine Lebensprämisse. Monika Stoye ist geprägt von einem Beruf, der ihr Berufung war. Ihr zu Hause war lange, gute Jahre die Leipziger Bibliothekswelt. In der legendären „Deutschen Bücherei“ (heute Deutsche Nationalbibliothek) fand sie ihren Lebensort. Hier stand ihr Schreibtisch, hier lagen die gespitzten Stifte griffbereit, und hier hatte sie gepflegten Umgang mit Büchern, Signaturen, Katalogen, Inkunabeln, Handschriften und vor allem mit Benutzerinnen und Benutzern. Die hatten beste Sensoren für kenntnisreiche Kompetenz und für jene natürliche Freundlichkeit, die zunehmend kostbar wird. Wer Rat suchte, suchte nach Frau Stoye und bekam ihn.

Ein Kollege verblüffte einmal sein Seminar, als er fröhlich bekannte, zu seiner Lieblingslektüre zählten Bibliographien. Der jetzt nicht lächelt, ist vom Fach – und er hätte in Frau Stoye eine Fachfrau, die über Wesen und Wunder gut gearbeiteter Bibliographien wohl Bescheid weiß, hat sie sich doch selbst auf diesem Feld Meriten verdient. Ausdauer und Kontinuität sind da Grundtugenden, ohne die es nicht abgeht. Der Gestus des Dienens prägt eine Haltung zum Dasein, nicht nur Büchern gegenüber. Ihn misszuverstehen sollte man sich allerdings hüten, Hochmut kommt vor dem Fall. Es ist ein Dienen im aufrechten Gang, und auch das nicht beschränkt aufs Bibliothekarische.

Monika Stoye und die Theodor Fontane-Skulptur von Ottmar Hörl

Monika Stoye und Theodor Fontane. Sie vertragen sich bestens. Ihr Verhältnis ist gezeichnet von Respekt und gegenseitiger Wertschätzung. Das schreibe ich, dem Wendungen wie „Fontane hätte das so gesehen oder würde das so getan haben“, die derzeit Konjunktur haben, zutiefst suspekt sind. Aber in diesem Falle, in diesem ganz besonderen Falle bin ich zweifelsfrei und unerschrocken. Frau Stoye hat in ihrem Leipzig eine Sektion der Theodor Fontane Gesellschaft versammelt, die ein kleines Wunderwerk ist. Mit ihm werden Säle gefüllt, und mancher Referent resp. manche Referentin, der/die in latenter Eitelkeit das große Auditorium auf sich münzt, sollte sich in Bescheidenheit üben – in jene Bescheidenheit, die der Person eignet, der die zahlreiche Hörerschaft zu verdanken ist: Monika Stoye. Mit wieviel entschlossener Freundlichkeit und mit welchem Ausmaß an verlässlicher Aufmerksamkeit hier „Fontane“ gegenwärtig ist, das ist mustergültig. Eine Freude für alle, die es erleben und denen es Teil ihres Lebens geworden ist. Dieser „Fontane“ verbindet, er stiftet Zusammenhalt und knüpft ein Netz, das Menschen, die einander geistes- und seelenverwandt sind, Halt bietet.

Monika Stoye lächelt – ich sehe es doch bis hierher -, und winkt sie ab, „nun ist es aber gut, da werde ich noch ganz rot, was denken denn Sie“ – und sie öffnet ihre Handtasche, um eine Liebenswürdigkeit herauszuholen, etwa Erinnerungsfotos an eine der letzten Veranstaltungen, sorgsam verpackt in einem Umschlag, jedes Bild datiert und beschriftet. Während man sich an denen erfreut, folgt schon die freundliche Frage: „Wollen Sie nicht mal wieder nach Leipzig kommen? Ich hab‘ da so eine Idee …“ Und schon wird aus „Leipzig“ ein „Monika Stoye“ – und wem da sein ach so übervoller Terminplan zuerst in den Sinn kommt und wer sich da in seiner Fontane- und sonstigen Wichtigkeit spreizt, der möge bleiben, wo der Pfeffer oder was auch immer wächst …

In der nächsten Woche vollendet dieser Fontane-Wundermensch, dem so viele Menschen so viel Fontane-Freunden verdanken, sein achtes Lebensjahrzehnt. Die Leipziger Buchmesse wird – so ist zu hoffen – eine würdige Festtagskulisse abgeben. In der so angenehmen Kulturszene der sächsischen Messestadt ist Frau Stoye wohlbekannt, als engagierte Theaterbesucherin und Gast vieler Literaturereignisse. An Händen wird es also nicht fehlen, die das Glas erheben, und der Glückwunsch-Reigen, er wird lang ausfallen. Sekt ist kalt gestellt, Saft nicht minder. Und am Vorabend ihres „Geburtstages“ gibt eine Fontane-Veranstaltung, auf die Beine gestellt gemeinsam mit Lutz Hesse, Gelegenheit, mit dieser liebenswerten Leipziger Legende in Gespräch zu kommen.

Und der sich erlaubt hat, hier als Gratulant aufzutreten, er freut sich schon jetzt auf jenes Glas kühlen Rieslings, das er mit Monika Stoye nach einem weiteren, langen und glücklichen Fontane-Tag zum Abendausklang trinken darf: stillvergnügt, redselig – und dankbar.

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