DER BILDERFEX – Fontanes imaginäres Museum von Christoph Wegmann

Als die Theodor Fontane Chronik 2008 ihre Pforten schloss, um ins Druckhaus des Verlages de Gruyter zu gehen, da durfte der Verfasser (auch im Namen deren, die ihm bei der Erarbeitung behilflich gewesen waren) noch ein paar Zukunftswünsche äußern. Neben einer virtuellen Bibliothek Fontanes – ein Lieblingsgedanke  des 2007 verstorbenen Berliner Germanisten und Fontane-Forschers Peter Wruck (er bastelte in seiner eigenen Buchsammlung an dergleichen) – war das „ein Archiv der von ihm gesehenen Gemälde und Skulpturen“ (Chronik. Band 1, S. XVII).Abbildung von Berbig | Theodor Fontane Chronik | 2010 Erschöpften, aber nicht wunschlosen Gemüts dachte der Verfasser, da müsse doch nur einer/eine ans Sammeln und Ablichten gehen und überlegen, wie sich das Ganze ordnen lasse. Benutzerfreundlich, also registerreich. Einiges war in der Chronik aufgenommen, vieles, wenn nicht das Meiste werde sich finden lassen – und wenn nicht leicht, so doch mit einer in jeder Hinsicht lohnenden Mühe.

2016 münzte dann Hubertus Fischer in einem seiner so anregungsreichen Texte den zaubermagischen Begriff vom „Musée Imaginaire“ auf den erneuerten Wunsch nach „Fontanes Gemäldegalerie“ (in: Studia germanica posnaniensia 37 (2016), S. 109-120). Kleine Testläufe in die Werkgeschichte und die Aufzeichnungen, Notizen und Tagebücher Fontanes reichten, um zu ahnen, was da zu erwarten war: ein Weltreich an Bildern. Festgehalten in kurzen Notierungen, eingebaut in seine Romanwelt, erwähnt im weiten Feld seines Briefwerkes.

Diese Idee ist nun ihrer Verwirklichung einen entschiedenen Schritt nähergekommen. André Förster – Inhaber und umtriebiger Geist des Verlags für Berlin-Brandenburg mit dem Imprint Quintus-Verlag (das Unternehmen ist längst der neue „Fontane-Verlag“ und hat mit seinem Programm dem Aufbau Verlag dieses Markenzeichen abgenommen) – hat es ermöglicht. Dort werden mittlerweile nicht nur viele, sondern vor allem auch schöne Bücher hergestellt. (Eins meiner Fontane-Lieblingsbücher ist Bernd W. Seilers Fontanes Berlin. Die Hauptstadt in seinen Romanen, erschienen 2010, das bereits seine dritte Auflage erlebt hat).

Doch die eigentliche grandiose Arbeit hat der in Basel lebende Germanist, Historiker, Philosoph und Gymnasiallehrer Christoph Wegmann geleistet. Auf zahllosen Exkursionen, die ihn in alle Teile der Fontane’schen Werkwelt führten, hat er sein Wissen über die Bilder gesammelt, die Fontane gesehen, skizziert und verarbeitet hat. Zwanzig Jahre habe er daran verwendet, raunte mir sein Verleger zu, und wer den voluminösen Band in der Hand hält und rasch die andere hinzunehmen muss, glaubt es gerne.

Es wird sachkundigen Rezensionen vorbehalten bleiben, dieses Buch mit seinem essayistisch, aber keinesfalls unwissenschaftlichen, äußerst liebevoll verfassten Text und seinen unzähligen, nachgerade überwältigenden Abbildungen angemessen zu würdigen. Hier wird vorerst nur der Finger gehoben, kräftig geschnipst und gerufen: Das ist Neues in der überflutetenden Fontane-Bücherwelt! Und allem Anschein nach Kostbares und fortan Unerlässliches. Dass dabei das Theodor-Fontane-Archiv dem Autor Christoph Wegmann fördernd zur Seite stand und sogar als Herausgeber fungiert (sein Leiter hat ein angenehm zu lesendes Vorwort beigesteuert), soll nicht unerwähnt bleiben.

So bleibt einem nur, das Buch Der Bilderfex aufzuschlagen und los zu lesen: „Fontane besaß selbst nie besonders viele Bildwerke, sein Kopf aber war voll davon. Voll von Briefmarken, Puppen, Fresken, Ofenkacheln mit biblischen Szenen, Graffitis, Denkmälern, Spielkarten, Zeitungsillustrationen, Plakaten und vielem mehr. Sie machen den Bestand seines riesigen Musée imaginaire aus, das dann in seine Romane eingegangen ist.“ Eine Sammlung, lesen wir, „von nahezu universalem Ausmaß“ (S. 15).

Das bereitet anhaltend Vergnügen und ist lehrreich über die Maße. Nur zu ahnen ist, wieviel Arbeit Wegmann in dieses Buch gesteckt hat. Dass sich dennoch der Wunsch nach einem – im Konzept vielleicht etwas strenger, vielleicht etwas eingegrenzter, vielleicht etwas Handbuch-näher – Fontane-Bild-Lexikon nicht verliert, ausschließlich aus Abbildungen und deren Nachweisen (in Museen und in Fontanes Werk) bestehend, tut der Sache keinen Abbruch. Es nimmt nichts vom ungeteilten Respekt und schon gar nichts von der Schaulust am nun schon Vorliegenden. Die Fontane-Buch- und Lesewelt ist und bleibt eben einfach unersättlich …

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