Das Fontane-Jahr 2019 gleichwohl des Schriftstellers 200. Geburtstag liegt in der Vergangenheit. Deshalb blickt jedes Mitglied des Fontane Blogs noch einmal auf die dahingeschiedene Zeit zurück und erinnert sich an seinen einprägendsten Fontane-Moment.
Bei der Tagung der Fontane Gesellschaft. Irgendwo auf einer Umleitung zwischen Neuruppin und Boltenmühle. Wir kamen von Molchow, wo wir den Glockenturm bestiegen und die alte, geborstene Glocke angeschaut hatten. Diese stamme aus einem Dorf, das im Dreißigjährigen Krieg verwüstet wurde und seitdem als verschwunden gelte. Jahrhunderte später sei die Glocke irgendwo im Wald zwischen zwei Bäumen aufgefunden und dann nach Molchow gebracht worden sei. War es schon damals, dass jemand sagte, der kreisförmige Dorfplatz weise auf eine von Wenden gegründete Siedlung hin? Oder waren es einfach diese dunklen Laute, die – so schien es mir – über Jahrhunderte von den fallenden Blättern des Waldes begraben wurden? Oder war es das wiederholte Scheitern, mehr als die ersten zwei Seiten des Stechlins zu lesen, bevor der Schlaf, Fontanes Sprache und Gedanken an eine unglaublich lange Zeitspanne menschlicher Geschichte in dieser Region mich überwältigten? Wir kamen von Molchow, wurden durch den Ruppiner Wald gefahren. Ich sah durch die Fenster des Reisebusses und fragte mich, wer in diesem Wald schon gelebt und wer ihn durchquert hatte. Fontane, die Förster und Wildschweinjäger, die Armeen aus Frankreich, Schweden, Brandenburg und anderswoher, die immer wieder in den Wanderungen auftauchen, der Widerhall javanischer und isländischer Vulkane, die Deutschen und vor ihnen die Slawen und vor ihnen noch wohl eine andere Gruppe bis in die Eiszeit. Und die unzähligen anderen, die hier mal waren oder noch in der Erde liegen und die nie zu Wort kommen werden.
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