Das Fontane-Jahr 2019 gleichwohl des Schriftstellers 200. Geburtstag liegt in der Vergangenheit. Deshalb blickt jedes Mitglied des Fontane Blogs noch einmal auf die dahingeschiedene Zeit zurück und erinnert sich an seinen einprägendsten Fontane-Moment.
Mit einem kleinen gelben Büchlein in der Hand machte ich mich auf den Weg zur Uni. Noch etwas ermüdet, schlug ich die erste Seite auf und verschlang die restlichen – bis ich schließlich an der Uni angekommen war. Die Geschichte um Lene und Botho zog mich in den Bann, Frau Dörr hinterließ regelmäßig ein Schmunzeln auf meinen Lippen. Die restlichen Figuren ergänzen die Handlung des Romans in bemerkenswerter Weise, sodass man sich entweder vor Lachen schwer halten kann oder durch die Ernsthaftigkeit zum Nachdenken angehalten wird. Den Roman las ich noch am gleichen Tag bis tief in die Nacht hinein. Einige Tage blieb es liegen, im Kopf spann ich die Handlung weiter. Besser sollte ich sagen: die Gestaltung der Handlung spann ich weiter – die Handlung kannte ich im Umriss. Endlich – einige Tage später packte ich das Büchlein für ein Wochenende nach Paris ein. Unterwegs, bei einer Pause, zückte ich ohne Zögern das Büchlein vor, um – auch wenn es nur fünf Seiten waren – weiter zu lesen. So erklärt sich auch der im Buch befindliche Kassenbon eines Cafés.
Bei einem Crêpe und heißer Schokolade versank ich inmitten des Pariser Trubels in die Geschichte, welche inzwischen bei Käthe angelangt war. Irrungen, Wirrungen hatte ich wenige Tage später – in der U-Bahn – fertig gelesen. Das Buch blieb trotzdem in meiner Manteltasche, noch wollte ich mich nicht von ihm lösen. Ein willkürliches Blättern, die Anstreichungen und Anmerkungen rekapitulierend, verzogen sich meine Mundwinkel erneut zu einem Schmunzeln. Die Sprache, der Witz und die Tiefgründigkeit, die Fontane seinen Figuren einverleibt, ließen mich nicht mehr los.
Zuhause angekommen, griff ich zum nächsten Roman: Frau Jenny Treibel. Ich wurde nicht enttäuscht – im Gegenteil: Die Beschreibung der bürgerlichen Gesellschaft hielt mich auf Trab. Die zahlreichen Dialoge zeichnen mit viel Witz ein Bild Berlins zum Ende des 19. Jahrhunderts.
Meiner Mutter enthielt ich die neu entfachte Begeisterung nicht – ich konnte es nicht. So war es eine glückliche Begebenheit, dass wir einige Tage danach spätabends Dussmann einen Besuch abstatteten. Die Beichte meiner Mutter, dass sie noch kein Weihnachtsgeschenk für mich hatte, kam mir gelegen. Ich durfte die mir fehlenden Romane Fontanes aussuchen. Schon jetzt kann ich es kaum erwarten, viele U-Bahn-Fahrten mit Fontane und einem kleinen gelben Büchlein zu verbringen. Der Kassierer fragte mich bei der Menge prompt, ob ich eine wissenschaftliche Arbeit vorhätte. Mein Kopfschütteln verriet anderes. Meine Mutter suchte eine Antwort, indem sie meine Mitgliedschaft im Fontane-Blog und die Bekanntschaft mit Roland Berbig aussprach. Erneut verblieb ich mit einem Schütteln des nun leicht errötenden Kopfes. Das war nicht die Antwort – oder hatte meine Mutter vielleicht doch Recht? Ich kam zu folgendem Entschluss: In der Tat – der Fontane-Blog, seine Mitglieder und die vielen Veranstaltungen haben in mir eine Freude und Neugierde an Fontane entfacht, der ich mich nicht mehr entziehen kann. Und so kann ich folgenden kitschigen, doch aber wahren Abschluss wählen: Wenngleich sich die Tür zum Fontane-Jahr geschlossen hat, öffnete sich die Tür zu der Welt Fontanes, die sich nicht mehr schließen wird.