Lindow als Mittelpunkt. Informationstafel über Theodor Fontane im Klostergarten

„Lindow ist so reizend wie sein Name. Zwischen drei Seen wächst es auf und alte Linden nehmen es unter ihren Schatten.“ Das ist nicht nur literarische Floskel. Fontane gefiel dieser Ort, den er von Kindheitstagen an kannte. Am 6. Januar 1873 schrieb er seiner Schwester Elise, er wolle sich mit Frau und Kind irgendwo im Ruppinschen niederlassen und das Land

Theodor Fontane, Foto um 1869 © Theodor-Fontane-Archiv

„von einem Mittelpunkte aus und immer zu diesem zurückkehrend, in Radien […] durchstreifen“. Auch, wo dieser Ort liegen sollte, teilte Fontane der Schwester mit: „am liebsten in der Lindower Gegend“.

Im September 1873 besuchte Fontane Lindow, um sich nochmals des Ortes zu vergewissern, über den er bereits seit 1859 ein Kapitel seiner Wanderungen plante. Am 19. Juli 1874 konnten es die Berliner in der Sonntags-Beilage der Vossischen Zeitung lesen, einige Wochen später in der neuen Ausgabe des Bandes Die Grafschaft Ruppin: „Lindow ist so reizend wie sein Name“. Seinem Essay über Lindow stellte Fontane noch einige Widmungsverse voran, die er vermutlich selbst geschrieben hat:

Wie seh ich, Klostersee, Dich gern!
 Die alten Eichen stehn von fern,
 Und flüstern, nickend, mit den Wellen.
Und nach drei Sternchen folgt eine zweite Terzine:
Und Gräberreihen auf und ab;
Des Sommerabends süße Ruh
Umschwebt die halbzerfallnen Grüfte.

Die Stadt in herrlicher Lage zwischen den Seen, die Klosterruinen, die Grablege, die von der Natur wieder heimgeholt wird, das sind Eindrücke, die Fontane so bewegt haben, dass er sich bis in seine letzten Lebensjahre darin erinnerte. Sein erster Roman Vor dem Sturm, den er nach beinahe 20jährigem Ringen 1878 beendete, schließt mit einem versöhnlichen Bild:

Skizze aus Fontanes Notizbuch © Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz | https://fontane-nb.dariah.eu

Auf einer schmalen Landzunge zwischen zwei märkischen Seen liegt das adlige Stift Lindow. Es sind alte Klostergebäude: Kirche, Refektorium, alles in Trümmern, und um die Trümmer her ein stiller Park, der als Begräbnisplatz dient, oder ein Begräbnisplatz, der schon wieder Park geworden ist. Blumenbeete, Grabsteine, Fliederbüsche und dazu Kinder aus der Stadt, die zwischen den Grabsteinen spielen.
Und auf einem dieser Grabsteine stand ich und sah in die niedersteigende Sonne, die dicht vor mir das Kloster und die stillen Seeflächen vergoldete. Wie schön! Es war ein Blick in Licht und Frieden.

Hier spricht der Erzähler, der sich ganz am Ende selbst in seinen Roman stellt, um von höherer Warte einen Blick in die Zukunft zu wagen. Auf dem Grabstein liest er im Scheiden den Namen einer der Figuren seines Romans, der mit diesen Worten schließt und zugleich von neuem beginnt: „Renate von Vitzewitz“. Renata heißt die Wiedergeborene. So erzählt Fontane von Lindow, „von einem Mittelpunkte aus und immer zu diesem zurückkehrend“.

In seinem letzten Roman, dem weltanschaulichen Vermächtniswerk Der Stechlin, kehrt Fontane nochmals an diesen Ort zurück, den er hier Kloster Wutz nennt. In einem seiner Briefe verriet Fontane: „Wutz ist Lindow.“ Ein ganzer Abschnitt des Romans spielt an diesem Ort. Nur Trümmer erinnerten noch an das Kloster, in die die Klosterfrauen ihre Wohnungen malerisch gebaut hatten.

Verblieben nur noch die zwei Schmalseiten, von denen die eine nichts als eine von Holunderbüschen übergrünte Mauer, die andere dagegen eine hochaufragende mächtige Giebelwand war […]. Sie stand da, wie bereit, alles unter ihrem beständig drohenden Niedersturz zu begraben, und nur das eine konnte wieder beruhigen, daß sich auf höchster Spitze der Wand ein Storchenpaar eingenistet hatte. Störche, deren feines Vorgefühl immer weiß, ob etwas hält oder fällt.

Skizze aus Fontanes Notizbuch © Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz | https://fontane-nb.dariah.eu

Hat es dort wirklich einmal ein Storchennest gegeben, oder ist das dichterische Imagination? In seinem Notizbuch hat Fontane in einer Skizze festgehalten, was er sah, als der den Ort besucht.

An all dies erinnert nun eine Tafel die Wanderer, die heute diesen Ort besuchen. Sie wurde am 28. Oktober 2020 enthüllt. Aus dem Fontane-Archiv kamen zu diesem Anlass herzliche Grüße mit der Post. Reisen in Corona-Zeiten, selbst hierher, an einen der zentralen Punkte für Fontane, müssen überlegt sein.

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