Wenn eine Stadt ihren Bürgermeister wählt, dann ist das kaum weniger wichtig als Präsidentschafts- oder Bundestagswahlen. Die Theodor Fontane Gesellschaft, die seit vielen Jahren fest in Geburtsstadt ihres Namenspatrons verankert ist, weiß das. So hat sie mit besonderer Aufmerksamkeit das Ringen um dieses Amt in Neuruppin verfolgt. 16 Jahre lagen diese Geschäfte in der Hand von Jens-Peter Golde (Pro Ruppin). Nun beendete die gestrige Stichwahl zwischen ihm und Nico Ruhle (SPD) diese lange Amtsperiode. Obwohl Goldes Chancen keineswegs gering waren und er nach dem ersten Wahlgang wie der klare Sieger ausgesehen hatte, setzte sich Ruhle nun mit 56,7 Prozent der Stimmen durch. Der Fontane-Blog gratuliert dem designierten neuen Bürgermeister, der im März 2021 ins Rathaus einziehen wird, und wünscht ihm ein ruhige und besonnene Hand, die vielfältigen Aufgaben zu meistern. Der 39-jährige Rechtspfleger, der in Dessau geboren und seit 14 Jahren Neuruppiner ist, übernimmt ein bestens geführtes Haus. Mit ihm hält die nächste Generation Einzug. Dankbar darf sie auf die vorangegangene schauen, kein Graben trennt und verbindende Brücken sind gebaut oder doch im Bau.
Der Wahlwerbefilm (Regie: Dustin Gottschalk) zeigt einen sympathischen jungen Mann, der durch seine Freundlichkeit einnimmt und vor allem auf die technische Entwicklung der Stadt setzt. Der Name Fontanes fällt wiederholt, allerdings stets in der Kopplung „Fontane-Stadt“. Doch die Kamera gleitet freundlich an Wieses Fontane-Denkmal vorbei – und Ruhles programmatischem Satz „Die Fontanestadt Neuruppin ist mehr als Fontane – sie ist Kulturstadt“ wird, wer die märkische Stadt in Gegenwart und Geschichte kennt, ernstlich nicht widersprechen. Er ist ein ermutigendes Bekenntnis zur kulturellen Bedeutung Neuruppins und seiner Region: in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Natürlich wird der Neue im Rathaus nicht schlecht beraten sein, wenn er wie sein Vorgänger auf Fontanes Anziehungskraft vertraut. Das so überaus glückliche Fontane-Jahr 2019 wird auch über die Corona-Gegenwart unserer Tage nicht vergessen. Der Glanz, den es verbreitet hat, stumpft über Pandemie-Debatten und Impfstoff-Spekulationen nicht ab. Wenn Ruhle schon den 13. März 2031 (!) ins Visier nimmt – 250. Geburtstag von Friedrich Schinkel, der ebenfalls ‚Sohn der Stadt‘ ist –, dann steht er durchaus in „Fontane-Feier-Nachfolge“ (dessen Fontane-Forum wurde 2010/11 ins Leben gerufen und schrieb sich den 30. Dezember 2019 auf seine Fahnen). Vor einigen Jahren veranstaltete die Theodor Fontane Gesellschaft eine gemeinsame Frühjahrstagung mit der ebenfalls in Neuruppin ansässigen Karl-Friedrich-Schinkel-Gesellschaft. Daran lässt sich anknüpfen. An Verbindungen aller Art besteht kein Mangel! Wenigstens ein passgerechtes Zitat ist dem kommenden Bürgermeister der Stadt als Willkommen auf den zukünftigen Amtstisch zu legen:
Nie habe ich [Fontane] eine so entschiedene, ja fast grausame Herrschaft des Geistes über den Körper beobachtet, als es bei ihm der Fall war. Nirgends sprach sich seine Selbstverleugnung schöner aus, als wenn Lieblingspläne von ihm, welche er in allen Teilen mit voller Hingebung streng durchgebildet hatte, entweder gar nicht zur Ausführung kamen oder doch mannigfach verändert und beschnitten wurden. Wie lebhaft auch der Schmerz war, den er bei solchen Gelegenheiten empfand, so erzeugte er doch nicht jene so leicht begreifliche Verdrossenheit, welche in ähnlichen Fällen meist das Interesse an einer Aufgabe aufhebt, er nahm vielmehr von neuem seine ganze Kraft zusammen, um alles zu retten, was unter den beschränkenden Umständen zu retten war. Ja, er entwickelte öfter daraus wieder eigentümliche Schönheiten. (Theodor Fontane: Karl Friedrich Schinkel. In: Die Grafschaft Ruppin)
Der Fontane-Blog hatte wiederholt schönsten Anlass, über den nun scheidenden Bürgermeister Jens-Peter Golde zu berichten, dankbar und voller Wertschätzung. Nicht nur im Fontane-Jahr, wo viele auf den rollenden Jubelzug aufsprangen, pflegte er den lebendigen Kontakt zu den Fontane-Orten der Stadt – in besonderem Maße zur Theodor Fontane Gesellschaft, für deren Sitz in Neuruppin (Geschäftsstelle/Altes Gymnasium) er sich entschieden verwendete. Golde wusste, was seiner Stadt gut tut: und Fontane tut ihr gut – auch in Zukunft! So will es mehr als nur ein hoffnungsfrohes Zeichen sein, dass Ruhle und seine Lebensgefährtin ihren Sohn nicht Julian, nicht Linus und nicht Friedrich genannt haben, sondern – – – Theodor.
Lieber Herr Dr. Berbig, welch ein wunderbarer Abschiedsgruß an Herrn Golde und ein hoffnungsfrohes Willkommen für Nico Ruhle. Da wir oft mit Rechtspflegern beruflich zu tun haben, gerade in jüngster Vergangenheit und ein mehr als zehn Jahre dauerndes schier unlösbar scheinendes Problem heute erfolgreich auch und vor allem mit der engagierten Arbeit einer Rechtspflegerin beenden konnten, sehe auch ich der Zukunft in Neuruppin mit dem neuen Bürgermeister zuversichtlich entgegen-:).