Trauer um Peter Pusch und Krafft von dem Knesebeck

Der eine eher klein gewachsen und gedrungen, der andere hochgewachsen und stattlich – der eine Verleger, der andere Freiherr – beide Menschen aus Schrot und Korn.  Beide ganz so, als seien sie aus Fontanes märkischer Welt in unsere Gegenwart gestiegen, um lebendig zu halten, was dieses Leben  hier ausmacht: Peter Pusch, Jahrgang 1951, und Krafft von dem Knesebeck, Jahrgang 1954. Der Himmel über der Neuruppiner Landschaft mit ihren Dörfern und Kirchen scheint es plötzlich eilig gehabt zu haben, vor Jahresende noch zwei Menschen von diesem Rang und dieser Erscheinung zu sich zu holen. Vielleicht weil sie auch dort so rar, so kostbar sind …

Wir dürfen traurig sein. Charaktere dieses Zuschnitts sind ein starker Grund, dieser sandigen Region zugetan zu sein. Sie verkörperten das, was, kommt es als Wort auf die Zunge, so unendlich fad und manchmal gefährlich schmeckt: Heimat und Beheimatung. Sie haben dem Ruppiner Land und jener Welt zwischen Oder und Spree, die doch oft viel Sonnenschein braucht, um ihren Glanz zu entfalten, jenes Etwas gegeben, das sie ausmacht. Der eine regionaler Historiker, Herausgeber und Verleger, der andere Landwirt, Unternehmer und Gutshofbesitzer. Während für Peter Pusch die Mark Brandenburg immer Gegenwart war, in der er fest wurzelte, musste der im schleswig-holsteinischen Kellinghusen aufgewachsene von dem Knesebeck das Gut Karwe seiner Vorfahren nach 1990 erst begreifen lernen. Buchstäblich, handfest, ernsthaft – guten Herzens. War für ihn das Buchstäbliche ein Zupacken, um Brachliegendem wieder kräftige Wirklichkeit zu geben, so war für den anderen der tatsächliche Buchstabe zu retten, der der Region Geschichte und mit ihr Halt gibt.

So möchte ich es mir vorstellen, denke ich im Abschiedslicht an die beiden: Man kannte einander und erkannte sich. Daraus erwuchs Anerkennung, zu der sie begabt waren und die ihnen zuteil wurde. Man zog an einem Strick und verlor nicht viel Worte darüber. Oder nur die wichtigen, die wesentlichen: der Freiherr in freier Rede, über die er verfügte wie wenige, der Verleger in gebundenen Büchern, denen er unverwechselbare Gestalt zu geben wusste.

Ob es tatsächlich so lag, ich weiß es nicht. In der Rückschau unbedingt. Man war Solitär, doch unverrückbar im Gemeinwesen verankert. Der Tisch, an dem man saß, obgleich an verschiedenen Orten, war aus verwandtem Holz geschnitzt. Auch wenn man nicht an einem gemeinsamen saß, hatte man viel miteinander gemein. Was man tat, tat Kultur und Wirtschaft gut. Aber vor allem tat es den Menschen gut, mit denen man war und ohne die, das wusste Peter Pusch so gut wie Krafft von dem Knesebeck, nichts.

Krafft von dem Knesebeck, Eröffnung der Ausstellung „Fontane trifft Knesebeck“, 10. Mai 2019. Foto: Vanessa Brandes

Hier können die Geschichten, die zu erzählen sind, ihren Anfang nehmen. Geschichten, in denen ein historischer Stammtisch ebenso seinen Platz hat wie ein Alter Pferdestall. Geschäftigkeit und Schaffenswillen sind in ihnen zu Haus, und ohne Archive, gepflegte oder verstaubte, kommen sie nicht aus. Legendäre Kreiskalender von 10.000 Seiten werden die Zuhörenden überwältigen ganz so wie jene umwerfende Rede, die  Sommer 2019 die Ausstellung „Fontane trifft Knesebeck“ eröffnete.

Wenn dann das Herz übervoll ist, dann wird man hinaustreten, um dem Klang dieser Legenden hinterherzuhören. Wieder wird die Wunschvorstellung ihren Zauber ausbreiten, als sei sie Wirklichkeit: Man wird in die Ferne schauen über die märkischen Wiesen und Felder – und plötzlich glaubt man, zum Greifen nahe, eine hochaufgeschossene Gestalt neben einer kleineren zu erblicken. Der Große hat den Arm um die Schulter des Kleinen gelegt, ganz so, als wollte er ihn schützen – und der Kleine schaut hoch und drückt ihm ein Buch in die Hand. Was für eins, wir können es nicht erkennen. Aber dieses Bild, es bleibt.

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