Fontane und die Denkmäler – „ein lebendig, sich einprägendes Zeichen des Gedächtnisses?“

Nicht viele Jahre fürwahr wird’s dauern,
Da werden die Enkel in Neuruppin
Nicht doch! gleich mitten im alten Berlin
Ein schmuckes Standbild dir errichten. (Heyse, S. 510)

Paul Heyse sollte mit diesen Worten in einem Gratulationsgedicht zu Theodor Fontanes 70. Geburtstag Recht behalten. Nicht jedem Dichter wird die Auszeichnung einer Statue, einer nicht vergehenden Würdigung, eines Denkmales, zuteil. Bei genauerer Recherche fiel auf, dass Fontane in zahlreichen Denkmälern in verschiedenen Formen verewigt wurde. In diesem Artikel werde ich allerdings nur auf die, meiner Meinung nach, vier bedeutendsten Ehrenmale des Künstlers eingehen. Es handelt sich hierbei um Würdigungen in der Fontane-Stadt Neuruppin, in Falkenberg (Mark), in Bad Freienwalde und im Herzen von Berlin, im Tiergarten, wo dieses täglich von hunderten Menschen gesichtet (und oft auch missachtet) wird. Denkmäler werden gesehen und vielleicht aus dem Augenwinkel wahrgenommen. Doch werden sie wirklich mit vollem Bewusstsein registriert? Was ist ihre Aufgabe? Und sind diese Denkmäler überhaupt noch relevant in einer Zeit, wo die digitalen Medien überhand nehmen und die altbewährten Dinge mit ihrer Modernität verdrängen?

Fontane Statue in Neuruppin, (c) Lienhard Schulz,  CC BY-SA 3.0

Doch verschaffen wir uns erstmal einen allgemeinen Überblick über die besagten Denkmäler. Das Fontane-Denkmal in Neuruppin von Max Wiese ist das Paradebeispiel für die Würdigung des Künstlers: „Auf einer steinernen Bank sitzend, die Beine lässig übereinandergeschlagen, den Wanderstock beiseite gelegt und den Stift schreibbereit in der Hand“ (Tourismusinfo der Fontane-Stadt Neuruppin). Das 1907 eingeweihte Denkmal, was nach seinem Sohn gemodelt wurde, zeigt den Künstler mit all den Attributen, die ihn als eben den Theodor Fontane erkennen lassen und sein Leben ausmachten. In diesem Ortskontext – der Fontane-Stadt, der Geburtsstätte des Künstlers – ergibt das Errichten dieser Auszeichnung sehr viel Sinn: Die Menschen dort kennen und ‚verehren‘ Fontane. Alleine der Name wird automatisch zu einem Touristenmagnet für die ‚Fontanestadt Neuruppin‘. Auch die Gedenktafeln, die die Häuser der Stadt zieren, tragen zur Erinnerungskultur des Künstlers bei – Fontane ist also ein regelrechter Schutzpatron für Neuruppin geworden.

Fontane Denkmal in Falkenberg, (c) Markus Schweiss, CC BY-SA 3.0

In Falkenberg, in der Mark, befindet sich ebenfalls ein Denkmal des Künstlers. Auch hier ist der Ort ein sinnvoll gewählter. Fontane hat Brandenburg in seinen Ausführungen in Wanderungen durch die Mark Brandenburg, eines seiner wichtigsten und berühmtesten Werke, zu einem beliebten Reiseziel für Fontane-Liebhaber und Naturfreunde verwandelt. Der Fontaneweg lädt hier ein in „Klein Thüringen“, wie der Künstler es selbst beschrieb, über den Dichter und die Natur zu philosophieren, die schon Theodor Fontane damals selbst beschritten hat.

Fontane Denkmal in Bad Freienwalde, (c) Clemensfranz, CC BY-SA 3.0

„Freienwalde – Hübsches Wort für hübschen Ort“ (Fontane: Wanderungen durch die Mark Brandenburg). So lobt der Künstler Freienwalde bei seinem Besuch dieser Stadt. Hier gibt es laut dem allwissenden Internet nicht nur ein Denkmal, erbaut von Peter Fritzsche und Horst Engelhardt, sondern ein Fontanehaus, eine Fontane-Kultur-Tour zum Anlass seines 200. Geburtstags und einen Fontane-Platz, wo sich das besagte Denkmal, eine Büste des Künstlers, befindet. Auch diese Stadt hat also der Fontane-Hype gepackt und nutzt dessen Namen für touristische Zwecke und als kulturelles Phänomen.

Was, aber, macht ein Theodor Fontane mit Hut und Stock inmitten von dem Jogger-überlaufenden und Hundebesitzer-bevölkerten Tiergarten in Berlin? Welche Funktion erfüllt es an diesem speziellen Ort?

Nicht nur ich stelle mir diese im Verlaufe des Artikels schon aufgekommenen Fragen. Auch schon damals zu Fontanes Lebzeiten hat sich dieser Gedanken zu der Kontinuität, der Vergänglichkeit und der Bedeutung der Denkmäler seiner Zeit gemacht.

Ein langer Weg war zu durchschreiten, eh der roh-primitive Denkstein zu dem kunstvoll aufgebauten Denkmal, zu dem Standbild in Erz, in Marmor wurde, das in unserer Vorstellung allein noch lebt, wenn wir im Gespräch über künstlerische Dinge dem Ausdruck „Denkmal“ begegnen. (zit. nach Knobel, S. 28).

Ein Denkmal soll zeitlos sein. Jedoch kann man an diesen Worten Fontanes alleine erkennen, dass er schon damals gewusst hatte, dass sich das Kunstwerk mit der Zeit verändert. Zu Beginn, so der Künstler, war das Denkmal ein „blosser Ausdruck der Pietät; aufgerichtete Steine, Denksteine“ (Knobel, Fontane, S. 28). So wird also deutlich, dass der Begriff des Memorials schon damals dem Wandel der Zeit unterlegen war. Fontane sah natürlich auch den künstlerischen Ausdruck des Denkmals. Vor allem bei seinen Reisen in die Schweiz und seinen Ausführungen „Denkmäler in der Schweiz“ hebt er diesen ästhetischen Charakter der Denkmäler in einem Vortrag hervor, den er 1866 im Conservativen Verein der Lucas-Gemeinde zu Berlin gehalten hat:

Der Eindruck ist überwältigend; selbst ein den Künsten abgeneigter Sinn muß sich ergriffen fühlen. Was aber ergreift, das ist (wenigstens in erster Reihe) nicht die Schönheit des Löwenbildnisses, sondern die Schönheit des zu Grunde liegenden Gedankens. (zit. n.: Theodor Fontane. Werke, Schriften und Briefe. Hg. v. Walter Keitel u. Helmuth Nürnberger. Abtlg. III. Dritter Band: Reiseberichte und Tagebücher. Erster Teilband: Reiseberichte. München: Hanser 1975, S. 730)

Auch an dieser Aussage lässt sich erkennen, dass Fontane dem künstlerischen Charakter eines Denkmales viel Aufmerksamkeit schenkte. Er war sich jedoch trotz dessen sicher, dass dies nicht die wichtigste Eigenschaft dieser ‚zeitlosen Auszeichnungen‘ war. Er sah die Hauptaufgabe eines Denkmales in dem Aspekt, ein „lebendig sich einprägendes Zeichen des Gedächtnisses“ (Knobel, Fontane S. 28) zu sein und zeigt damit auf, was ein Denkmal in seiner eigentlichen Natur tun soll: Erinnern.

Die Frage, was Fontane von seinen eigenen Denkmälern halten würde, stellt sich mir und den Leser*innen sicherlich nun unweigerlich. Leider können wir nicht in den Kopf des Künstlers schauen. Wir können höchstens Vermutungen anstellen und uns überlegen, wie er vielleicht reagiert hätte aufgrund seiner Äußerungen. Das Fontane-Denkmal in seiner Heimatstadt Neuruppin tut aber genau das, was er von einem Denkmal erwartet und ruft Erinnerungen hervor. Es erinnert daran, dass Fontane in dieser Stadt gelebt und Neuruppin mit seiner Anwesenheit geprägt hat. Auch das Denkmal in der Mark tut das, was der Künstler von dieser Institution verlangt. Es erinnert an das wichtigste Werk Fontanes und an die Spuren, die er dort hinterließ.

Fontane Statue im Tiergarten, Berlin

Und auch das Denkmal in Berlin, welches ich zuerst als ‚fehlplatziert‘ eingeschätzt hätte, trägt zur Erinnerungskultur rund um Fontane bei. In diesem Sinne komme ich zu meinen am Anfang dieses Artikels gestellten Fragen zurück. Diese kann ich bezüglich der Relevanz von Denkmälern in einer mediengeprägten Zeit mit einem klaren ‚JA‘ beantworten. Denkmäler sind unvergänglich, wenn diese nicht durch Umwelteinflüsse zerstört werden. Sie gehen nicht im Sumpf von social media und anderweitigen Medien unter und gehen vielleicht sogar mit diesen, in bestimmten Kontexten, Hand in Hand. Und wenn Sie, liebe Leser*innen, das nächste Mal einen Spaziergang durch den Tiergarten machen und einem netten Wandersmann in Form einer Statue begegnen, zücken Sie doch vielleicht auch einmal das Smartphone und googlen dieses Denkmal. Wer weiß, was sie nicht noch über Fontane lernen können.

 

Mehr zum Denkmal im Berliner Tiergarten: Klicken Sie hier.

Literaturhinweise

Heyse, Paul: Gesammelte Werke, 3 Reihen in 15 Bänden, Reihe 1, Band 5, Stuttgart 1924, S. 506-511.
Knobel, Bruno / Fontane, Theodor: Denk‘ mal ans Denkmal. In: Nebenspalter: das Humor-und Satire-Magazin. Bd. 102. Heft 16. 1976. S. 28. ETH – E-Periodica (e-periodica.ch)
Siebenborn, Claus: Fontane und die Schweiz. In: Neue Schweizer Rundschau. Bd. 18 Heft 1. 1950-1951. S. 27. Fontane und die Schweiz (e-periodica.ch)

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