Zur Einführung einer neuen Rubrik
Als ich Ende 2019 meine Dienstzimmer in der Universität räumte, erlag ich der Illusion, dass sich all das, was der Vernichtung entgangen war, mehr oder minder leicht ordnen ließe. Ich legte Mappen an, in die ich das bunte Gemisch von Korrespondenzen, Notizen und Protokollen verstaute, und glaubte an die Kraft von Leitz-Ordnern. Sie, sorglich beschriftet, nahmen gelochte Blätter aller Art auf und suggerierten Ordnung. Nun stehen sie da, leicht vereinsamt und schwer vernachlässigt.
Möglicherweise haben Sie ähnliche Erfahrungen gesammelt. Das müssen beileibe keine Ordner sein wie sie meine berufliche Arbeit mit sich brachte. Manches verbirgt sich zuweilen in kleinen Mappen oder Tagesaufzeichnungen – gleichermaßen reizvoll und gleichermaßen wert. Sollte das nicht ans Licht des Tages – oder doch zumindest ins Leuchten unseres Fontane-Blog-Lämpchens? Viele von uns lesen gerne Porträts und Erinnerungen dieser Art.
So soll sich nun die neue Rubrik Menschen widmen, die dem Autor von Effi Briest, Frau Jenny Treibel und Der Stechlin auf unverwechselbare Weise zugetan waren – und die aus dieser Zuneigung heraus ebenso unverwechselbare Studien verfasst oder auf andere Weise für ihren Dichter gewirkt haben. Im Vordergrund steht nicht die akademische Würdigung, sondern die der Person, die des Menschen. Wo es angeht, sollen dafür persönliche Dokumente – Briefe, Fotografien, Notizen, Gedenktexte u. ä. – vorgestellt und abgedruckt werden. Wer sich seit Jahren näher mit Fontane und der Literatur über ihn befasst, dem werden sogleich hochgeschätzte Namen Verstorbener einfallen: Charlotte Jolles, natürlich, Renate Böschenstein-Schäfer, Anita Golz, Helmuth Nürnberger, Otfried Keiler, Manfred Horlitz … Doch neben Verstorbenen tauchen gleich Fontane-Menschen vor unseren Augen auf, die noch heiter und froh unter uns weilen und sich für „Theodor Fontane“ engagieren.
Dass Erinnerungen an den 2007 verstorbenen Literaturwissenschaftler und Fontane-Forscher Peter Wruck den Auftakt dieser taufrischen Rubrik bilden, verdankt sich eher dem Zufall. Als ich zusammen mit engagierten Student:innen vor nunmehr fast fünf Jahren den Fontane-Blog ins Leben rief, drängte der uns technisch behilfliche Leander Wattig nachdrücklich auf „content, content, content“. So kramte ich von Woche zu Woche in meinen Unterlagen und stieß auf allerlei Briefschaften, die im engeren und weiteren Sinne aus meiner Beschäftigung mit Fontane herrührten. Ich begann einen kleinen Text, brachte ihn aber nicht zu Ende und schon gar nicht auf einen Punkt, der die Veröffentlichung rechtfertigt. Ganz ebenso ging es mir mit weiteren Anläufen. Die wechselnden Studierenden-Gruppen schüttelten den Kopf, das seien keine Blog-Beiträge, da müsse Anderes her, wichtiger sei das Fontane-Jubiläum 2019 etc. – sie hatten Recht.
Seitdem hat sich der Blog mit so viel unterschiedlichen Einträgen gefüllt. Das Sammelsurium verträgt viel Farbe. Die Beitragspalette darf also so bunt sein wie das Fontane-Völkchen, wie ich es seit über vier Jahrzehnten erleben durfte. Momentaufnahmen sind erwünscht, aber warum nicht auch längere Erinnerungen. Schauen Sie einmal nach, ob sich nicht in Ihrem häuslichen Privatarchiv einiges findet, an dem unsere Fontane-Blog-Leserschaft Freude und Gewinn hat.
Kurzum: Wir laden Sie herzlich ein, diese neue Rubrik mit Erinnerungsleben zu füllen. „Daraus könnte etwas werden“, meinte eine in unserem kleinen Redaktionskreis. Vielleicht denken Sie ähnlich. Schön wäre es. Unsere Redaktionstüren sind weit geöffnet.