Das Fontanehaus in Schiffmühle – in guten Händen!

Es ist schon eine Weile her, da ging in der Geschäftsstelle der Theodor Fontane Gesellschaft ein Notruf ein. Der als „Appell“ deklarierte Text titelte „Macht das Fontane-Haus in Schiffmühle wieder auf“ und zog gegen die Kurstadt Bad Freienwalde vom Leder. Deren Verwaltung verweigere ihre Unterschrift unter den Betreibervertrag mit der Tourismus GmbH, so hieß es, und gleich mehrfach fiel das Wort Skandal – wobei beim dritten Mal Fontane selbst etwas gewagt für die Sache bemüht wurde: Ein „Skandal“ sei es, hatte der 1857 in einem Brief an seine Frau geschrieben, „dass man sich um den alten Herrn [in Schiffmühle] nicht mehr bekümmert.“ Bei jenem alten Herrn handelte es sich um seinen Vater, Louis Henri Fontane (1796–1867). Die aus ihrem Herzen keine Mördergrube machten und ihrer Empörung freien Lauf ließen, sahen sie sich allemal befugt, diesen Ton anzuschlagen. Sie gehören mit ihren unterhaltsamen Büchern, öffentlichen Vorträgen und regional weit verbreiteten Zeitungsartikeln zur derzeitigen Fontane-Prominenz: Gabriele Radecke und Robert Rauh. Beide verstehen sich auf Öffentlichkeit, suchen und nutzen sie. Auch in diesem Fall.

Zwar verzichten sie in ihrem Appell darauf, Hintergründe des Konflikts aufzudrieseln und die jüngere Geschichte dieser Fontane-Stätte nachzuzeichnen (u. a. spielten Volker Panecke, die Theodor Fontane Gesellschaft und Dr. Wolf Smend [damals Leiter der Düsseldorfer Sektion der TFG] dabei eine Rolle), doch ihr Plädoyer trifft ins Zentrum der Sache: Gerade war dieses Haus, das Fontanes Vater nach Trennung von seiner Frau 1855 erworben und bis zu seinem Tod bewohnt hatte, aufwändig rekonstruiert und mit einer attraktiven Dauerausstellung ausgestattet worden. Viel Mühe und viel Geld hatte die öffentliche Hand investiert, nun sollte und musste der Ort auch ein öffentlicher sein.

Die Theodor Fontane Gesellschaft und viele ihrer Mitglieder hatten keinen Augenblick gezögert, dem Appell beizustimmen und Nachdruck zu verleihen. Woran es auch gelegen haben mag, bald glätteten sich die Wogen und die Rauchzeichen signalisierten ein Ende des Konflikts. Gewarnt durch Fontanes Frankreich-Erfahrungen 1870, schien es angeraten, den Pulverdampf erst abziehen zu lassen, ehe eine Orstbesichtigung anberaumt wurde. Die fiel dann aber nachgerade glücklich aus. Die Sorge, in die unliebsame Rolle eines Visitators zu geraten, erwies sich als gänzlich unbegründet.

Schon das Wetter auf der Fahrt gen Letschin und Schiffmühle stimmte auf Treffliches ein. Sanftes Sonnenlicht, nicht zu heiß, ein leichter Wind. In langsamer Fahrt näherten wir uns dem Ziel – und erkannten es sogleich an einer markanten Figur vor dem Zaun: ‚unser‘ Fontane. Nicht wie aus dem Gesicht geschnitten, aber schnittig allemal. Ein kurzer, schreckhafter Druck auf die Klinke am Gartenzauntor – verschlossen! Gerade wollte sich heller Radecke-Rauh’scher Kulturzorn regen, da rief eine Stimme „gehen Sie man hier außen rum“. Ein netter junger Mann, bewehrt mit Tassen, Tellern und einem breiten Lächeln, deutete hinter ein paar Sträuchern einen Bogen an – den schlugen wir: und standen unversehens vor unserem Reiseziel – dem Fontanehaus in Schiffmühle.

Und was wir hier vorfanden, war das Verheißene. Die neue Dauerausstellung, gefördert durch das Kluturland Brandenburg (Geschäftsführerin Brigitte Faber-Schmidt) zog uns an und in ihren sanften Bann. So literarisch wie regional und so historisch wie zeitgemäß. Wir hörten förmlich Fontanes Stimme, die uns aus jenem berühmten 16. Kapitel aus Meine Kinderjahre las, in dem er von seinem letzten Besuch im väterlichen Hause 1867 erzählt. Jeder Raum hatte seinen eigenen Reiz, jeder Blick aus einem der Fenster seinen eigenen Zauber. Hier war man gern und blieb länger als geplant. Als sich dann doch zur Mittagsstunde der Magen regte und sich Kaffeedurst einstellte, genügten ein paar Schritte ums Fachwerkhaus. Ein ländliche Auswahl, märkisch herzlich dargeboten von Ben Schubert und entspannt-freundlichen Helferinnen, stand bereit: Bratwurst mit Senf, hausgebackener Kuchen, kalte Getränke und heißer (frisch gebrühter) „Kaffe“, wie Fontane zu schreiben pflegte. Die Rast tat so wohl wie zuvor der Gang durch die Räume. Man plauderte mit dem Nebentisch und blinzelte in die nun immer wärmer werdende Sonne.

„Und nicht ans Grab?“, höre ich rufen. Aber ich bitte Sie, natürlich. Bestens gestärkt an Leib und Seele, holten wir rasch Erkundungen zum Friedhof, wo die sterblichen Reste Louis Henri Fontanes ruhen, ein. Wir wussten, dass der Steinmetz den Name auf dem Grabstein fehlerhaft geschrieben hat – „Hanry“ statt „Henry“. Doch da war noch eine Frage, gestellt von den freundlichen Leuten, in deren Obhut Haus und Garten liegen. Ob wir das Gästebuch gesehen haben? Das Gästebuch – manchen ist’s ein Fluch, manchen ein rotes Tuch … Uns nicht, warum auch. Auf diese Minuten kam es nicht an und unserem Bedürfnis des Dankens entgegen.

Schön war’s hier, dachten wir beim Fortfahren, und schön soll es bleiben – noch lange. Also statt „Macht das Fontane-Haus auf“ ein „Machen Sie sich auf zum Fontane-Haus in Schiffmühle“ – es heißt Sie willkommen.

 

[Alle Fotografien vom Autor. Buchempfehlung: Ernst-Otto Denk, Helmut Otto u. Volker Panecke: Louis Henri Fontane – Leben und Schicksal eines Dichtervaters. Werneuchen: Findling Verlag 2017].

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