Theodor Fontane im Jagdschloss Stern in Potsdam

(c) Förderverein Jagdschloss Stern-Parforceheide e.V.

Es ist einer der weithin unbekannten Fontaneorte im Havelland, das kleine Jagdschloss Stern am Rand von Potsdam. Von 1730–32 vom preußischen König Friedrich Wilhelm I. im Stil eines holländischen Bürgerhauses erbaut, diente es zu Lebzeiten des jagdbegeisterten Soldatenkönigs zur Ausübung der Parforcejagd in dem 1726 dort angelegten Parforce-Gehege. Das speziell für diese Art der Jagd zu Pferde mit einer Hundemeute auf einen zuvor ausgewählten einzelnen Hirsch angelegte Revier war durch sternförmig angelegte Wege erschlossen und mit einem Palisadenzaum umgrenzt. Das am Zentrum dieses Wegesterns angelegte und später danach benannte Jagdschloss wurde flankiert von zwei quadratischen Fachwerkbauten mit hohem Sockel und stattlichem Walmdach, einem großen Pferdestall, einem Brunnen und einem freistehenden Backofen, der zur Vermeidung von Feuergefahr abseits der Gebäude am Platz errichtet wurde. Nach dem Tod des Königs im Jahr 1740 nicht mehr genutzt, verfiel das kleine Schloss in einen Dornröschenschlaf, aus dem es erst Prinz Carl von Preußen (1801–1883), ein in Glienicke residierender jüngerer Bruder Friedrich Wilhelms IV. und des späteren Kaisers Wilhelm I., aufweckte und erneut für Parforcejagden nutzte, die diesmal jedoch vorwiegend Wildschweine zur Strecke brachten.

Da der in dem heute noch erhaltenen Nebengebäude des Schlosses wohnende Kastellan ein Schankrecht hatte, war der Ort bereits im 18. Jahrhundert ein beliebtes Ausflugsziel für die Offiziere der Potsdamer Garnison und Angehörige der besseren Gesellschaft, die über Pferd oder Kutsche verfügten, um an diesen etwas abgelegenen Ort zu gelangen.

Auch Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) hat bei seiner Reise nach Berlin und Potsdam in Begleitung des Weimarischen Herzogs am 22. Mai 1778 einen morgendlichen Ausritt zu diesem besonderen Ort gemacht. „22 Sternhaus früh.“ lautet der knappe Eintrag in seinem Tagebuch. Möglicherweise war es der Wunsch von Herzog Carl August, dieses Relikt der Jagdleidenschaft des Soldatenkönigs zu besichtigen. Vielleicht lockten die Herren aber auch die Serviertöchter des Wein- und Coffeeausschanks in den Kastellanhausgarten.

Theodor Fontane lockten dagegen im Juni 1869 vor allem die sagenumwobenen wendischen Nutheburgen bei Saarmund zu einer zweitägigen Wanderung. Von Potsdam aus ging es über Kohlhasenbrück zum Jagdschloss Stern und anschließend nach Gütergotz (das heutige Güterfelde), wo sein Wandergefährte und er beim örtlichen Pfarrer übernachteten und sich am nächsten Morgen dann auf die allerdings erfolglose Suche nach Relikten dieser wohl doch nur im Reich der Sagen und Mythen existierenden Burganlagen aufmachten. Aus dem Vergleich Fontanes Beschreibung in der ersten Auflage seiner Wanderungen durch die Mark Brandenburg im Band „Ost-Havelland“ mit Tagebucheinträgen und Briefen lässt sich entnehmen, dass die Wanderung Ende Juni 1869 stattfand. Begleitet wurde Fontane von dem Potsdamer Garnisonschullehrer Heinrich Wagener (1832–1894), der das Jagdschloss Stern und seine Umgebung – übrigens in ähnlich poetischer Weise wie Fontane – in einem späteren Beitrag für die Berliner Wochenzeitschrift Der Bär (Heft 12, 1886, S. 62 ff.) beschrieb.

Das Jagdschloss Stern und sein Bauherr wird in Fontanes Bericht sehr treffend charakterisiert:

Hier ist alles licht, faßbar, real, mit jenem Prosa-Beigeschmack, den Alles hat, was unter den vielgeschäftigen, rastlos-gestaltenden Händen des Soldaten-Königs entstand. Aber noch eines charakterisierte seine Art, die propreté, und das Jagdschloss Stern hat bis diese Stunde jenes Sauberkeits-Gepräge, das Friedrich Wilhelm I. allen seinen Schöpfungen zu geben liebte.

Im Anschluss daran beschreibt Fontane detailliert die drei Räume des Schlosses, einen mit den Abwurfstangen eines kapitalen Hirschs und nach Fontanes Einschätzung wenig kunstvollen Jagdgemälden dekorierten Saal, eine Küche und schließlich die Schlafkammer des Königs. Die einer Art hölzernen Wandschrank eingelassene Bettnische erinnere an die Lagerstätte einer Schiffskajüte. Offenbar um der Beschreibung noch einen besonderen Akzent zu verleihen, reichert er den Text am Ende mit einer Anekdote über eine Eule an, die der Förster des Jagdschlosses Stern in der Bettsponde des Königs einlogiert habe und die den Besuchern mit zwei großen feurigen Augen einen gehörigen Schreck versetzte, bevor sich endlich der Spuk löste und sie mit schwerem Flügelschlag unmittelbar an ihren Häuptern vorbei flog. Mit den Worten „Der König selber hätte uns nicht großäugiger und nicht bedrohlicher ansehen können, als der Gast, der hier an seiner Stelle eingezogen war“, endet Fontanes stimmungsvoller Bericht über das Jagdschloss Stern.

Leider wurde das Kapitel „Gütergotz“ von Fontane bei den späteren Auflagen der Wanderungen durch die Mark Brandenburg ausgesondert und die Beschreibung des Jagdschlosses Stern ist daher in den Volksausgaben dieses Werks nicht mehr enthalten. So wurde das kleine holländische Haus im märkischen Sand, das Sanssouci des Soldatenkönigs, zu jenem weithin unbekannten Fontane-Ort, der auch bei den Vorbereitungen für das Jubiläumsjahr 2019 fast übersehen worden wäre. Erst mit der von Gabriele Radecke an der Universität Göttingen so verdienstvoll betriebenen Edition der Notizbücher Fontanes gelangte das Jagdschloss erneut in den Fokus, bildete Fontanes Skizze des markanten holländischen Baus doch eines der ersten Digitalisate, die auf das anlässlich des Fontanejahres der Öffentlichkeit vorgestellte Projekt aufmerksam machten.

(c) Förderverein Jagdschloss Stern-Parforceheide e.V.

In dem Notizbuch „Havelland (meist 1869)“ hatte Theodor Fontane die Fassade des Schlosses sowie den Grundriss der Räume skizziert. Die mit Bleistift ausgeführten Zeichnungen und Notizen belegen seine gute Beobachtungsgabe und Sorgfalt im Festhalten von Details als Erinnerungsstütze. So verrät eine scheinbar flüchtig dahingeworfene Linie am Giebel eine im 19. Jahrhundert noch vorhandene antikisierende Bekrönung und ein zweiter Stern unterhalb der geschwungenen Supraporte , dass dort eine Glasscheibe mit einem Sternmotiv eingeritzt war. Dazu in bemerkenswerter Parallele zu Goethes knappem Tagebucheintrag die Notiz: „Große Stern. Jagdschloss. holländisch. Backsteinbau. Sehr intressant.“

Fontanes Wandergefährte Heinrich Wagener gehörte als sehr aktives Mitglied übrigens dem von dem königlichen Vorleser und Autor Louis Schneider (1805–1878) ins Leben gerufenen Verein für die Geschichte Potsdams an. Der Verein hielt im September 1864 zum vermeintlich 150jährigen Bestehen des Jagdschlosses Stern sogar einmal eine Zusammenkunft vor Ort im Saal des Schlosses und in Anwesenheit des Prinzen Carl ab, der den Teilnehmern eine Führung durch die Räume gab (Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Potsdams, Protokoll der 26. Versammlung am 28. September 1864 im Jagdschloss Stern).

Heute kann das Jagdschloss Stern zu den Veranstaltungen des Fördervereins Jagdschloss Stern-Parforceheide e.V. im Sommerhalbjahr besichtigt werden. An Fontanes Besuch erinnert ein Aufsteller im Saal, auf dem sein Bericht über die Wanderung zum Jagdschloss Stern sowie die entsprechenden Seiten des Notizbuchs abgebildet sind.

 

Bilder der Skizze Fontanes können auf der Homepage des Jagdschlosses eingesehen werden.

One comment

  1. Gerhard Petzholtz says:

    Das neue Buch „Fontanes und Havelland“
    ist in der Tat sehr lesenswert!
    Auch wenn das Jagdschloss nicht vorkommt…..

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