Nein, mich reißt die Fontane-Flut nicht fort, und wirbelt sie noch so enthemmt und erzeugt sie noch so wilde Strudel. Ich habe längst eine Schwimmweste angelegt, mir Flossen über die Füße gezogen und den Schnorchel zurecht gelegt. Netze werden ausgeworfen, das Netz greift nach mir – und ich will gewappnet sein. Noch sind die Maschen weit, noch ist es nicht zugezurrt, Arm und Bein haben noch Spielraum, um an der Oberfläche zu paddeln: vergnüglich. Mittlerweile belächelt man fast die Playmobil-Variante von Theodor Fontane in ihrer liebenswürdigen Harmlosigkeit. Ich werde den Fontane-Schnaps verkosten, den Fontane-Kuchen probieren, die Fontane-Wortwelt ausgezählt nachzählen, und ich werde keinen Fontane-Artikel der großen Zeitungen und Zeitschriften unserer Republik ungelesen lassen.
Ach, hätte ich doch in all den Jahren auch nur geahnt, wie viele Fontane-Sach- und Fachkundige es gibt – ja, wie sehr der Autor, dem ich mich nach verdrießlichsten Schulerlebnissen (schlechtere Deutsch-Lehrerinnen und -Lehrer als ich hatte, kann niemand gehabt haben) in kleinen, beinahe zaghaften und äußerst behutsamen Schritten näherte, geliebt, geschätzt und verehrt wird: Ich hätte keinen geselligen Kreis ausgelassen, ohne mich nach Fontane-Fans zu erkundigen, und hätte alle meine Lebensschiffe auf dem Fontane-Meer ausgesetzt, um mich unter unüberschaubare bunte Fontane-Segel zu reihen, die da offenbar seit Jahr und Tag im Winde ihres Leseseelenmeisters glücklich schippern.
Was sage ich „Meer“ und „Segel“ – wie altertümlich. Natürlich meine ich das digitale Universum, jenes gewaltige Haus mit den tausenden Zimmern, die nur so auf Ausbau und Ausdehnung warten. Wer dort eintritt, er wird von Zeremonienmeister und -meisterinnen empfangen. Man klopft, respekterheischend, auf den leishallenden Boden – Türen öffnen sich, weite Gänge werden sichtbar: und allüberall schaut Fontane, freundlich lächelnd, gewichtig belehrend, rüstig plaudernd, hervor. Tretet nur ein, scheint er zu sagen, Ihr werdet Euer helles Wunder erleben.
Und wirklich: Das Leuchten ist überwältigend. Mag man auch befürchten, sich in den endlosen Gängen zu verirren, oder statt in einem weiten Empfangsfoyer in einem engen für die Notdurft vorgesehenen Räumchen (ja, man hat an alles gedacht!), so weiß man sich in seinem dunklen Drange des rechten Weges doch bewusst. Und so legen wir, bereitwillig und beflissen, alles alte Analoge beiseite – was war das eigentlich? -, und überlassen uns dem digitalen Glanz. Er führt und verführt, er glitzert, und wer ihm widersteht, steht schon in jenem Dunkel, aus dem kein Entkommen ist.
Nein, wirklich Fontane total: Das ist wunderbar – und fast möchte man wie Fontane im Anblick des so großstädtischen Berlin nach der Reichsgründung ausrufen: Dass ich das noch erleben durfte.