„Fontane-Jubiläum 2019“ – 2020 schöne Erinnerung oder Schlussakkord?

Wir hatten sowohl bei Vergleich und Analyse der Literatur, die sich von 2018 bis 2019 im deutschsprachigen Raum Theodor Fontane widmete, sein Werk und Leben in den Mittelpunkt stellte als auch beim Interview mit Herrn Berbig die Frage nach dem „Danach“ nur mutmaßlich beantworten können.

Ganz klar war jedoch die Antwort auf den Tourismuserfolg im Land Brandenburg. Menschen ließen sich vom Fontane-Jubiläum mit all seinen medial begleiteten Aktivitäten anstecken und motivieren, noch so kleine, vorher fast unbekannte Ortschaften, Kirchen, Schlösser oder Herrenhäuser zu erkunden oder Veranstaltungen zu besuchen. Dass der erhoffte Zustrom von Gästen schlussendlich jedoch so hohe Zuwachsraten erfuhr, erfreute nicht nur die Landesregierung, sondern vor allem die Gastwirte, Pensions- und Hotelinhaber. Es war ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Erfolg, der durch die Erinnerungs-Kultur, auch durch die staatlich subventionierte, zu Ehren Fontanes erzielt werden konnte.

Nur zweieinhalb Monate nach des Dichters Geburtstag am 30. Dezember 2019 mussten die gleichen Schlösser, Herrenhäuser, Restaurants, Cafés, Ausflugsorte mit ihren kleinen Museen, Pensionen und Hotels ein Tal durchschreiten, dessen Tiefe noch nicht ergründbar und dessen Ausdehnung, begleitet von täglich pessimistischen mit Angst besetzten Informationen aus den gleichen Medien ins Ohr der damals so fröhlichen Besucher schallt, niemand vorher zu sagen vermag. Ein in unserer Familie geführtes „Lexikon“ mit dem C-Wort und einem weiteren Substantiv hat bereits 220 Begriffe. Dass diese Sprache in Ton, Bild und Schrift Auswirkungen auf das Denken, vor allem aber auf das Lebensgefühl der Menschen hat, ist ohne Zweifel.

Im Fontanerestaurant am Stechlinsee zum Beispiel wäre an einem Ostersonntag bei strahlendem Sonnenschein kein Platz freigeblieben. In diesem Jahr gab es statt Werbung für das Tagesgericht ein Wunsch des Wirtes zu „Frohen Ostern“ und eine Miniaturfigur des Dichters, sonst nichts. Die kleinen Holzskulpturen zum Alterswerk Der Stechlin, von einem Künstler auf eine Bank direkt am See montiert, sind zwar ein hübsches Fotomotiv, fanden aber bei den wenigen Menschen, die dort in Minigruppen saßen, keinerlei Beachtung.

Die Informationstafeln in Neuglobsow und Paretz, an gleicher Position wie im Vorjahr zu finden, sollten auch in diesem Jahr einen ersten Hinweis zu Fontanes Aufenthalten geben. Es blieb an ihnen niemand mehr stehen, um zu lesen, welche Informationen an die Frau oder den Mann gebracht werden sollten. Denn alles, was die Orte oder die Museen den geneigten Interessierten hätten zeigen können, war geschlossen.

Wir hoffen nicht, dass nun Besucher für den Fall, dass sie mutig genug sind, jetzt gleich, also morgen, spätestens aber am Pfingstwochenende ein liebgewonnenes oder ein neues kulturelles oder gastronomisches Ziel in Brandenburg anzusteuern, es nicht mehr auffinden werden. Es soll ihnen auf keinen Fall so gehen, wie den enttäuschten Männern am Himmelfahrtstag, die nach langer Fahrradtour vor geschlossenen Türen standen. Sie wussten, dass es am Teltowkanal, zwei Kilometer hinter der Machnower Schleuse, mal einen Biergarten gab … Gab! Sie standen ratlos davor und bekamen weder etwas zum Essen, noch etwas, um ihren Durst zu löschen. Ob er wieder öffnen wird? Dazu gab kein Hinweisschild Auskunft. Möglicherweise wissen es die Betreiber selbst nicht mehr.

Also: Fahren Sie los, mit dem Auto, mit der Regionalbahn oder dem Fahrrad! Machen Sie es wie Fontane und erkunden Sie weiter. Unterstützen Sie alle Menschen, die keine regelmäßigen und gesicherten Einnahmen haben. An der frischen Luft kann jeder besser atmen als in einem geschlossenen Raum. Es gibt dafür keinen Ersatz in der Online-Welt, und es ist gänzlich ohne Risiko zu haben, auch für Risikogruppen. Lassen Sie sich nicht die Freude an Ihren Ausflügen und Ihrem Leben nehmen.

 

Fotos von der Verfasserin.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert