Am 30. Mai 2022 ist der Schriftsteller F.C. Delius gestorben. Nachrufe sind erschienen, das Radio gedachte seiner, und wie zu Lebzeiten Freundliches in der Kritik seiner Bücher überwog, so nun auch die Artikel anlässlich seines Sterbens.
Der Theodor Fontane Gesellschaft war Delius seit langen Jahren ein wichtiger Autor. Sie sah in ihm zu Recht einen Fontane-Verbündeten. Kaum ein Mitglied, das nicht den langen einen Satz, der unter dem Titel Die Birnen von Ribbeck 1991 erschienen war, in seinem/ihrem Bücherschrank stehen hat. Nein, nicht nur stehen, sondern wiederholt gelesen hat. Und wahrscheinlich gehören nicht wenige unter ihnen zu den Glücklichen, die ein Exemplar mit Signatur oder gar Widmung besitzen. Denn Delius war mehr als einmal Gast unserer Gesellschaft und hat, stets auf unverwechselbare Weise, für sie aus seinem stetig anwachsenden Werk gelesen.
Zu den Höhepunkten zählt eine Doppellesung im Verbund mit Günter de Bruyn im Jahr 2000 in Potsdam, zwei Stimmen näherten sich der Fontane-Welt aus ganz unterschiedlichen Erfahrungs- und Schreibräumen und trafen sich auf wundersame Weise. Wer bei seiner schönen Lesung in Rostock vor ein paar Jahren dabei war, wird sich vielleicht noch an die kleine Einführung erinnern, die weitgehend nur aus den verzaubernden Titeln seiner vielen Bücher bestand (abgedruckt in: Mitteilungen der Theodor Fontane Gesellschaft Nr. 53/Dezember 2017, S. 30-32). Kaum hatte man sie gehört, prägten sie sich dem Gedächtnis dauerhaft ein. Fast klang die Abfolge wie ein Kurzroman, ja, wie der Roman seines Lebens.
Gut entsinne ich mich an die Reaktion von Delius, als ich 2004 – im Namen der Jury – ihn darüber informieren durfte, dass man ihm den Fontane-Preis verleihen möchte. Natürlich verbunden mit der Frage, ob er ihn denn auch annehmen wolle. „Das ist doch einmal eine schöne Nachricht“, erwiderte er erfreut – und seine Freude war ganz die der dann bei der festlichen Verleihung in Neuruppin versammelten Gästeschar. Selbstverständlich war Delius unbekümmertes Freuen nicht, das merkte jeder, der mir ihm zu tun hatte. Aber es hatte ganz den Anschein, dass ihm Fontanes ‚Gegenwart‘ wohltat und dass ihm die Menschen, denen er hier begegnete, angenehme Zeitgenossen waren.
Alle Bangnis vor einem Gespräch oder einer Begegnung mit ihm verlor sich rasch – und wenn er ebenso zurückhaltend wie herzlich lächelte, dann wünschte man dem Treffen kein zu rasches Ende. Das vertrug sich beinahe überraschend mit einer immer latenten Strenge, die ihm eigen war und die schätzte, wer das mediale Geschwätz so schwer aushielt wie er. Delius beherrschte die Kunst, sich im öffentlichen Leben zu bewegen, ohne von ihm vereinnahmt zu werden. Es mag sein, dass Vornehmheit heute keine sonderlich gefragte Tugend mehr ist. Der Verstorbene war ein vornehmer Mensch, still und bestimmt.
Eine literarische Vereinigung kann nicht ‚traurig‘ oder ‚bewegt‘ sein, aber doch ihre Mitglieder. Und, das sei versichert, sie sind es über den Tod von Friedrich Christian Delius.