„Es wechseln die Zeiten“ – In Kleinmachnow

Klein-Machnow oder Machnow auf dem Sande – Ein Spaziergang am Pfingstmontag 2022

Mein erster Blogbeitrag aus dem Juni 2018 beginnt so: Fontane schließt die Beschreibung seiner Pfingstfahrt in den Teltow und die Wanderung im südwestlichen Zipfel dieser Region Brandenburgs 1882 mit den Zeilen:

Machnow auf dem Sande ist nur eine gute halbe Stunde vom Wann- und Schlachtensee und all jenen andern im Grunewald gelegenen Wald- und Wasserpartien entfernt, die, wenn längst gehegte Wünsche sich erfüllen, über kurz oder lang vor die Tore Berlins gerückt sein werden. Dann, wenn die steil abfallende Hügelreihe, die das weite Becken des Wannsees von Osten her umfaßt, zu einem Kai für heitre, vom wilden Wein umlaubte Villen geworden sein und Forst und Fluß nach allen Seiten hin durchstreift werden wird, dann wird auch das hübsche Dorf am Teltefließ seine Besucher und Verehrer gefunden haben. Mögen diese dann an der alten, efeuversteckten Kirche und an dem Steinkreuz des gefallenen Schlabrendorf nicht vorübergehen. (Quelle: Theodor Fontane, Wanderungen durch die Mark Brandenburg, Vierter Teil, Spreeland, Hrsg. G. Erler und R. Mingau, Aufbau-Verlag GmbH, 1. Auflage 1997)

Kirche Kleinmachnow Juni 2018

Die Besucher sind nicht nur nicht an diesem hübschen Dorf am Teltefließ vorübergegangen, sondern hier sesshaft geworden. Die Gemeinde hat aktuell ca. 21.000 Einwohner und gehört zu den beliebten Wohngebieten vor den Toren Berlins. Den Spuren Fontanes können einheimisch Gewordene und Besucher auch 140 Jahre später Schritt für Schritt folgen.

Wie so oft, entweder auf meiner morgendlichen Laufrunde oder auf unseren Spaziergängen seit nunmehr 24 Jahren um den Machnower See und zurück mit einem kleinen Stopp an der Machnower Schleuse, gehen mein Mann und ich diesen Weg immer wieder. Auch heute, aus Stahnsdorf kommend, liefen wir an der Ostuferseite mit dem durch Fontane geschärften Blick für die aus dieser Zeit erhalten gebliebenen Gebäude. Zeitzeugen in Stein, teilweise in Felsstein gemauert und doch nicht unerschütterlich.

Ausgrabungsstäte 2018-2022 unverändert

Welche Pläne für die restlichen Flächen vorliegen, war auch heute vom Vertreter des Heimatvereins Kleinmachnow, der Fragen der Besucher an jedem 2. Sonntag im Monat von 13 bis 18 Uhr auf dem Ausgrabungsgelände beantwortet, nicht zu erfahren. Noch im Zuge der Ausgrabungen der Alten Hakeburg Ende der 1990 Jahre war geplant, die Gastronomie der Bäkemühle durch einen „Weinkeller“ unter architektonischer Einbeziehung eben dieser Ausgrabungen in der Alten Hakeburg zu erweitern. Die Mühle auf der linken Seite des Gebäudes war funktionsfähig und ein Hingucker für Groß und Klein.

Bäkemühle 2022

Nun: die Gastronomie hatte trotz zauberhafter Lage an diesem Standort mit der Mühle, einer großen Terrasse mit Blick in einen großen naturbelassenen Park und einem exzellenten Koch keine Chance bei Kleinmachnowern, Teltowern oder Stahnsdorfern, und so nutzt die Gebäude der Bäkemühle jetzt eine Facharztpraxis – stellten wir heute erstaunt fest.

Nachdem der Nachfahre derer von Hake, Ulrich von Zimmermann, auf seinen Restitutionsanspruch 2003 endgültig verzichtet hatte, ging das gesamte Flurstück auf dem die Alte Hakeburg mit Bäkemühle, Taubenschlag und Herrenhaus stand, ins Eigentum der Gemeinde Kleinmachnow über. Auf einem Teil des Grund und Bodens der Alten Hakeburg wurde ein modernes Gemeindehaus errichtet.

Gemeindehaus 2022

Das Gemeindeleben zeugt laut Informationstafeln von vielfältigen Aktivitäten und Angeboten. An diesem Pfingstmontag wurden wir auf unserem Spaziergang nach einem wohl gerade beendeten Pfingstgottesdienst von allen Menschen, die aus dem Gemeindehaus kamen, mit „Ihnen ein gesegnetes Pfingstfest“ gegrüßt. Wir grüßten freundlich zurück, jedoch ohne Segenswünsche.

Was hat sich seit Juni 2018 – meinem ersten Blogbeitrag zu diesem Ort – verändert?

Kirche mit Gerüst 2022

Die Kirche ist bis zum Turm vollständig eingerüstet und wird restauriert. Ob die alten Grabdenkmäler im kleinen angrenzenden Kirchhof in die Restaurierung einbezogen werden, interessierte uns, war jedoch auf dem Informationsblatt nicht zu erfahren.

Medusentor 2022

Zur Kirche liefen wir dieses Mal vom Gelände des Gemeindehauses durch das Medusentor, welches Fontane ausführlich beschrieb. Es war zurzeit, als die Alte Hakeburg noch stand und bewirtschaftet wurde, jedoch genau umgekehrt der Eingang zum Schlossgelände von der Kirche aus gesehen.

Detail der verschmierten Tafel 2022

Zu unserem Entsetzen, und das meine ich wörtlich, fanden wir heute Graffitischmierereien sowohl auf dem Medusentor als auch auf der dazu gehörenden Hinweistafel.

Der Plan, der die Ausmaße des „Alten Dorfkern Kleinmachnow“ zeigt, ist ebenfalls bis zur Unkenntlichkeit verschmiert.

Was läuft eigentlich in unserem Land falsch? Egal wo wir hinschauen, und dies nicht nur in Kleinmachnow, die mutwillige Zerstörung an Gebäuden und Kunstschätzen nimmt in einem Maße zu, dass ich mir eine Demonstration gegen solche Übergriffe wünschen würde. Ein weiteres Beispiel für sinnlose Zerstörung ist das Besprühen der 1831 fertiggestellten Granitschale im Berliner Lustgarten vor der Alten Nationalgalerie im Jahr 2020 mit ölhaltiger Farbe.

Lageplan mit Schleuse 2022

Die Tat von Jugendlichen, welche dort Graffitis mit teilweise obszönen Symbolen auf die polierte Oberfläche „aufsetzten“, ist trotz Flächenrestaurierung durch Farbspuren im Sockel noch immer sichtbar. Die geraubte Goldmünze aus dem Bodemuseum und der ebenfalls geraubte Schmuck aus dem Grünen Gewölbe in Dresden wurden zwar nicht vor Ort zerstört, sind laut Einschätzung von Kunstexperten jedoch längst in kleine Teile zerlegt und für uns als Zeugen ihrer Zeit verloren.

Weshalb bedaure ich dies zutiefst? Seit Kindertagen wurden uns von Erziehern und Lehrern die Kunst, die Kultur und die Geschichte nahegebracht. Und immer dienten solche Beispiele dafür, das Leben vor unserer Zeit anschaulich und lebendig erzählen zu können.

Galerie Alte Meister Führung 1967

Was ist das für eine Gesellschaft, die die bewusste Zerstörung am Medusentor, an den historischen Hinweistafeln auf dem Gelände der Alten Hakeburg und an anderen Kulturgütern als unabänderlich hinnehmen kann?

Da ich beruflich auch mit der Denkmalpflege zusammenarbeite, ein Hinweis für die Ist-doch-nicht-so-schlimm-Haltung: Es ist nicht damit getan, dass diese Schmierereien überstrichen werden.

Kindergruppe nach Führung in Sanssouci 1963

Jeder neue Farbauftrag auf dem alten Gemäuer des Medusentors, mit Farben, die in ihrer mineralischen Zusammensetzung weder die Farbe der ersten Baufassung noch den ursprünglichen Farbton erreichen, ist nur durch Handwerker mit den goldenen Händen aus der Denkmalpflege möglich. Doch weder die Handwerker noch das Geld dafür stehen zur Verfügung. Die Tafeln müssen neu produziert werden. Wer sind die Menschen, die zerstören und welche Werte haben sie?

Es wechseln die Zeiten. Doch wohin?

 

Fotos der Galerie Alter Meister und der Kindergruppe (c) Michael Günther – Fotos Kleinmachnow Geri Beerhalter

One comment

  1. Berlower says:

    Ich kann zwar verstehen, dass man als geschichtsinteressierte Person – die ich auch bin – frustriert über die Schmierereien ist. Aber der Vergleich der Clankriminalität (Diebstahl Goldmünze) und Graffiti ist leider daneben. Für die Jugend wird in der Region auch recht wenig getan und das ist vielleicht auch ein Grund für die Schmierereien, die aus deren Sicht eine Kunstform darstellt. „Was soll man auch machen mit 17-18 in Brandenburg“ singt schon Rainald Grebe. Antworten bekommt man übrigens auch recht schnell von der Gemeinde, wie ich finde.

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