Wer vom Neuruppiner Rheinsberger Tor versuchte, Zug, Taxi oder Bus nach Karwe zu erwischen, hatte einen Anlass zum Verzweifeln. So jedenfalls am vergangenen Freitag um die Mittagsstunde. „Fontane trifft Knesebeck„: Er hätte ihn möglicherweise verfehlt, wäre er auf jene öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen gewesen. Endlich aber tauchte aus dem Nichts ein Taxi auf und fuhr die fast Verzagten dorthin, wo „fontane-200“ an diesem Nachmittag sein Epizentrum hatte: auf das historische Gut Knesebeck in Karwe am Ruppiner See. Dem Himmel dankte ich, dass ich auf offener Straße noch einen Schlips umgebunden hatte, denn was dort vor dem Gut versammelt war, hatte sich in Schale geworfen. Alles strahlte das aus, was es dann auch tatsächlich wurde – ein gesellschaftliches Ereignis. Von einem Zuschnitt, als habe das märkische 19. Jahrhundert sich noch einmal aufgerappelt und sei angetreten, um bisher doch leicht Verunglücktes wieder ins rechte Lot zu bringen. Freundliche Gesichter gleich beim Empfang, Bankreihen, gut besetzt, Sonnenstrahlen, die danach trachteten, bis ins Innerste des scheunenähnlichen, hohen Gebäudes vorzudringen. Eine heitere Aufregung, Händeschütteln und in jedem Gesicht eine eigene Weise, Vorfreude zu zeigen. Hier Bürgermeister Jens-Peter Golde, dem die morgendliche Fontane-Radwegtour nicht anzusehen war, dort der sportlich gekleidete Botschafter der Fontane-Stadt Neuruppin Mario Zetzsche, rechts Bankreihen mit kaum zu zählenden treuen Mitgliedern der Theodor Fontane Gesellschaft, links Kultur- und Kunstprominenz aus der Mark.
An diesem Nachmittag stimmte alles: das Programm, die Beteiligten, der Ort, das Konzept, ja, und auch das Wetter. „Karwe“ fragte mich jemand auf dem Weg, „mit K oder C?“ Das hätte er vermutlich nicht gefragt, wenn er den Stimmigsten von allen in diesem freitäglichen Gutshoflicht gesehen und erlebt hätte: Krafft Freiherr von dem Knesebeck. Angesichts dieses Menschen, der der Präsentation so recht eigentlich Gestalt gab, was sag‘ ich: verlieh, stellte sich unversehens die alte Frage: Liegt dieser Ton, liegt diese Art, liegt diese Mischung von Hochoffiziell und Familiär-Leichthin in den Genen? Gibt es vielleicht doch so etwas wie „blaues Blut“? Ja, man lächelt, schüttelt den Kopf, gewiss und mit bestem Grund – und doch, wie Krafft von dem Knesebeck dieser Ausstellungseröffnung, deren hübscher Titel schon verlockt – sein Profil aufdrückte: das hatte etwas und war die noch umständlichste Anreise wert.
Günter Rieger, Mitkurator dieser Fontane-Knesebeck-Ausstellung, gab den Auftakt: betont lässig, locker, keiner, der ihn hier nicht kennt, keiner, der nicht ein Buch aus seinem Verlag daheim hat, und keiner, dem seine Art in dieser märkischen Ecke nicht vertraut ist. FreivonGeschwätzigkeit eröffnet er den Nachmittag, und wer nicht Freude an diesem Wechsel von unterhaltsam-klugen Personen und passgerechter musikalischer Rahmung (Sandra Menking – Klavier, Martin Menking – Cello und Kompositionen von Zeitgenossen Fontanes) hatte, dem fällt wohl Freuen allgemein schwer. Frau Brigitte Faber-Schmidt vom Team Kulturland der Brandenburgischen Gesellschaft für Kultur und Geschichte begrüßte angenehm professionell die Gäste, bedacht, niemanden auszulassen. Frau Dr. Gabriele Radecke, Leiterin der Fontane-Arbeitsstelle an der Universität Göttingen, die mit ihrem Projekt einer Digitalisierung und Erschließung der Fontane’schen Notizbücher der Ausstellung eine innovative Basis gegeben hat, skizzierte – mit großflächigem Anschauungsmaterial -, was die Ausstellung mit der Galerie im Pferdestall, dem Park und in der Kirche bezweckte. Selbst Kenner mochten kaum glauben, dass eine solche verführerische „Begegnung“ zwischen Fontane und Knesebeck noch nie in Szene gesetzt worden sei. Eine schöne Idee, in anmutiger Umgebung mit Engagement auf die Beine gestellt! Neben der musikalischen Rahmung las der renommierte, aber mit diesen Texten nicht recht zu Rande kommende Schauspieler Max von Pufendorf „Fontane“. Der leichte Ton, er ist schwer zu treffen.
Und ehe die Luft dünn wurde, die Bänke hart und alles Kurzweilige ins Gegenteil umschlug, entließ der Gutsherr die Gäste dieser Eröffnungsfeier, sich nun die Sache selbst zu besehen. Der ganz eigene Zauber seiner Person wehte durch die Reihen und Räume, die rundum gelungene Veranstaltung wirkte heiter fort. Man schwärmte aus, kleine Gefolge bildeten sich, die Dreizahl der Besichtigungsorte lenkte die Wege. Man war im Märkischen, gewissermaßen an einer seiner poetischen Quellen. Es war, als habe sich die ländliche Umgebung, deren Schein ja allemal auch Getrübtes kennt, selbst ein literarisches Gewand angelegt und leuchtete heiter vor sich hin. Und wer sich die fällige Detailbesichtigung des Ausgestellten besser für ein andersmal aufsparte – nun auch wieder ein wenig besorgt um den Heimweg -, der konnte ein Weinglas nehmen und sehen, wie sich in ihm das warme spätnachmittägliche Sonnenlicht aufgefangen in einem frischen Grün spiegelte …
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